Distance Learning

Blockflöten-Online-Fernunterricht zur Corona-Zeit

Gibt es eine Gefährdung für oder durch die Blockflöte? Während man sich darüber immer noch unschlüssig zu sein scheint, sind es tatsächlich unsere Blockflötenlehrerinnen und Blockflötenlehrer, die in der weltweiten Schockstarre als Erste wieder aktiv geworden sind.
In den folgenden Beiträgen aus aller Welt berichten sie von ihren Erfahrungen und Ideen, zusammen mit Schülerinnen und Schülern die Musik wiederaufleben zu lassen. Mit Texten von Kirsten Christmann, Almut Werner, Sina Bayer, Jasmin Röder, Drora Bruck, Gustavo de Francisco und Renata Pereira, Eloi Fuguet Surroca, Eva Maria Schieffer, Hans-Dieter Michatz, Martin Heidecker, Barbara Hintermeier, Iva Lokajíčková, Kayo Shiozawa, Sabine Runge, Sascha Mommertz, Urška Cvetko, Gisela Wassermann, Emily O'Bryan und John Tyson.

Äußerungen weiterer Blockflöten-Pädagoginnen und -Pädagogen finden sich in der Druckausgabe des Windkanal-Magazins 2020-2.

Die Übersetzung der englischen Texte von Urška Cvetko, Iva Lokajíčková, Drora Bruck, Gustavo de Francisco und Renata Pereira, Eloi Fuguet Surroca, Kayo Shiozawa, Emily O'Bryan und John Tyson besorgte Nik Tarasov.

 

Oh nein – online! Ein Tag Online-Unterricht in Corona-Zeiten

Ein Montag Ende April 2020. Ich sitze zuhause und erwarte meine acht MusikschülerInnen – online versteht sich! Anders darf ich ja im Moment nicht unterrichten ... Heute fühle ich mich bestens vorbereitet und geradezu virtuos im Handling dieses zuvor nie betretenen Metiers: Alle Flötenschulen, die meine SchülerInnen benutzen und die ich großteils verliehen habe, habe ich mir nochmals besorgt. So entfällt das vorherige Zuschicken der abfotografierten Noten per Email oder WhatsApp durch die Eltern oder die SchülerInnen weitestgehend, was auch nicht bei allen geklappt hat. Statt eines Kopfhörers habe ich die Lautsprecher meines Home-PCs auf mein Dienstlaptop umgesteckt. So habe ich mehr Bewegungsfreiheit. Ohne Dienstlaptop (meine halbe Stelle an einer pädagogischen Hochschule macht es möglich!) wäre ich im Moment komplett aufgeschmissen: Mein Home-PC hat weder eine Webcam noch ein brauchbares Mikrofon! Ladekabel für Laptop und Handy liegen griffbereit. Es kann losgehen!
Je nach den technischen Möglichkeiten zuhause habe ich meinen SchülerInnen die Wahl gelassen, wie wir in Kontakt treten. Vier unterrichte ich über Skype, zwei über ZOOM, eine über WhatsApp-Videotelefon und eine per Telefon. Der Klang von Block- oder Querflöte online ist eher suboptimal, lässt sich aber teilweise deutlich verbessern: Bei Skype und ZOOM wirkt ein besseres externes Mikro am PC wahre Wunder. Leider haben die wenigsten so etwas zuhause und die Bereitschaft, es extra zu kaufen, ist in unbestimmten Corona-Zeiten eher gering. Aber mit ein paar Tricks lassen sich die Audio-Einstellungen so ändern, dass eine Flöte bei vielen doch noch irgendwie nach Flöte klingt: In Skype kann man zumindest die automatische Anpassung des Mikros ausschalten. ZOOM bietet (leider nur in der installierten App für PC und nicht in der Handy-App) hier die besten Einstellungsmöglichkeiten. Ich erkläre den Eltern oder älteren Schülern, wie sie vorgehen müssen: In den Audioeinstellungen, zu denen man auch bei laufender Sitzung mit einem Klick auf den Pfeil neben dem Mikrofonsymbol links unten gelangt, den Haken bei »Lautstärke automatisch einstellen« bei Mikrofon entfernen. Die Lautstärke des Mikros von Hand so einstellen, dass es sowohl beim Sprechen als auch beim Musizieren weder über- noch untersteuert. Dann rechts unten auf »Erweitert« klicken und oben einen Haken setzen bei »Im-Meeting Originalton aktivieren vom Mikrofon anzeigen«. Fenster schließen und in der Zoomsitzung kontrollieren, ob links oben ein blaues Rechteck steht mit »Originalton ausschalten«. Dann ist alles gut! Falls das Rechteck dort grau ist und »Originalton einschalten« steht, einmal kurz draufklicken, bis es blau wird. Nun ist gewährleistet, dass ZOOM bei Flötentönen usw. die Lautstärke gleich lässt und diese nicht automatisch als unerwünschtes »Geräusch« so ausblendet, dass man nahezu nichts mehr davon hört ... Bei WhatsApp ist die Klangqualität nur so gut wie das im Handy eingebaute Mikro. Die automatische Aussteuerung führt auch hier leider zu einem ständigen Hin-und-her- pulsieren der Lautstärke, was nervt. Und beim Telefon? Da war die Klangqualität meines ersten Radio-Kassetten-Recorders, den ich 1976 zur Konfirmation bekam, noch richtig HIFI dagegen! Eine Flöte quietscht und gurgelt da dermaßen vor sich hin, dass ich mich ernsthaft frage, in welchem Jahrhundert ich lebe. Und seit die Telefonnetze auf digital umgestellt wurden, gibt es auch hier wie bei allen PC-Programmen immer einen gewissen Zeitversatz, der gemeinsames Duettspiel o. ä. unmöglich macht.
Aber zum eigentlichen Online-Unterricht: Es ist nett, die SchülerInnen zu sehen oder zumindest zu hören, den Kontakt weiter pflegen und ihnen im derzeit teils tristen Alltag etwas Abwechslung bieten zu können. Ich kann Töne und Rhythmus verbessern, die Phrasierung besprechen, Infos zu den Stücken geben, vorspielen, Griffe zeigen usw. Das ist gut! Aber habe ich damals Musik studiert, um dann im Wesentlichen nur die richtigen Töne zur richtigen Zeit einzufordern? Vieles, was meinen Unterricht ausmacht, bleibt hier leider digital auf der Strecke: Das Mitspielen einer zweiten Stimme oder eine Begleitung am Klavier, gegenseitiges Reagieren aufeinander beim Musizieren – nicht möglich aufgrund der Zeitverzögerung! Wozu müssen eigentlich die Internetprovider ihre Daten-Pakete immer um die halbe Welt schicken? Musikalische Linien mit Gesten führen? Nur sehr eingeschränkt am Bildschirm möglich. Arbeit am Klang, am Ausdruck und an der Körperhaltung? Nur mit sehr großen Abstrichen ein wenig möglich. Mitschnipsen oder -klatschen, um die Schüler im Metrum zu halten? Entfällt wegen zeitlicher Latenz. Den SchülerInnen scheint all das aber im Moment gar nicht so viel auszumachen. Anna (Namen geändert), eine stets bestens vorbereitete Schülerin, lässt sich auch in seltsamen Corona-Zeiten nicht durcheinanderbringen und freut sich Woche für Woche sichtlich, ihre vielen gut geübten Stücke loszuwerden. Auf meine Empfehlung hin hat sie zuhause schon Duos mit sich selbst gespielt, nachdem sie zuvor eine Stimme aufs Handy aufgenommen hatte. Nun spielen wir bei einigen Stücken auch im Unterricht im Duett und überlisten die Technik und die zeitliche Latenz: Sie schaltet ihr Mikro ab, ich zähle vor und spiele die zweite Stimme, während sie zeitgleich dazu spielt. Leider höre ich sie nur in diesem Moment nicht! Aber bei Anna weiß ich, dass sie gut ihre Stimme halten und sich auch gut an die andere Stimme anpassen kann. So fit sind längst nicht alle! Mozarts Andante C-Dur bei Miriam ganz ohne Klavierbegleitung unterrichten zu müssen, nervt mich kolossal. Aber es gibt auch so genug zu tun. Der Vater von Lars hat den Termin vergessen und klinkt sich erst in den letzten zehn Minuten in Zoom ein. Schade! An der Querflöte von Lars scheint eine Klappe nicht korrekt zu schließen. Online kann ich hier mit meinem Uhrmacherschraubenzieher, den ich immer zum Unterrichten dabeihabe, eher nicht helfen ... Bei meiner Telefonstunde mit Friderike versagt erstmals die Technik an einer Stelle, mit der ich nicht gerechnet habe: Während einer brav gespielten Fingerübung gibt das schnurlose Telefon einen letzten, seufzerartigen Ton von sich und verstummt vollständig. Mist! Auch da kann natürlich der Akku leer werden! Hab ich da nicht noch irgendwo Batterien in der Schublade? Endlich kann die Telefonstunde weitergehen, doch aufgrund der Verzögerung klingelt schon bald wieder die nächste Schülerin auf Skype. Und bevor ich bei ihr fertig bin, klingelt es auf WhatsApp ... Ich werde noch zum Hirsch! Der letzte Schüler ist ein Blockflötenanfänger, der so allein vor dem Bildschirm eher überfordert erscheint. Wir bemühen uns redlich, die Kuckucksterz C-A zum Klingen zu bringen. Die Abdeckung der Grifflöcher klappt noch nicht so ganz. Auch da kann ich online nur schwer helfen. Zwischendurch erlöst uns die Technik, da mein Internetanbieter einen Totalausfall hat. Nach zehn Minuten läuft alles wieder. Wir üben noch ein wenig und tatsächlich schwirrt hin und wieder eine echte Kuckucksterz durchs Web bis zu meinem PC.
Genug für heute! Nach ca. sechs Stunden Online-Unterricht bin ich fix und fertig und reif für die Insel – ähm, Mist, geht ja auch nicht ... Also wenigstens noch eine Runde Fahrradfahren mit High Speed, um mich noch etwas zu bewegen. Unterwegs kommt mir eine Idee, die ich mir nach einem ganzen Nachmittag Online-Unterricht gar nicht mehr zugetraut hätte: Man könnte doch aus Gründen der Gleichbehandlung auch Strafen für allzu besorgte Virologen oder angsterfüllte bzw. profilierungssüchtige Politiker in Aussicht stellen – nur für den Fall, dass deren angekündigte Worst-Case-Szenarien nicht in der beschriebenen Form eintreffen. Gnädigerweise würde ich ihnen sogar die Wahl lassen: Entweder eine Woche Erteilen von Flötenunterricht (am Telefon!) oder eine Woche Homeoffice unter gleichzeitiger Betreuung von fünf Kindern von Alleinerziehenden – und für Wiederholungstäter jeweils ein Monat statt einer Woche. Ich bin mir fast sicher: Das nächste Virus wäre nur noch halb so gefährlich ...
Martin Heidecker (Heidelberg)

Corona in der HfMDK

Für DozentInnen wie StudentInnen der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main lauten die Schlüsselworte der derzeitigen Situation »Improvisation« und »Innovation«. KorrepetitorInnen versenden Play-alongs, Eltern und Mitbewohner werden in Skype-Sitzungen zu Lehrprobenschülern, und »Geisterkonzerte« werden im Internet übertragen. Im »Studentenalltag« macht sich eine deutliche Entschleunigung breit. Jetzt ist der optimale Zeitpunkt für Dinge, die im Eifer des sonst ereignisdichten Hochschulsemesters auf der To-do-List stehenbleiben: In Ruhe an den technischen Grundlagen feilen, Quellen lesen, Instrumente ölen, Arrangements schreiben, die man schon so lange geplant hat und vor allem: ausgedehnt üben, üben, üben – vorausgesetzt das geht! Die HfMDK Frankfurt ist als eine der wenigen Hochschulen in Deutschland überhaupt noch zum Üben geöffnet: Zwei Stunden pro Tag dürfen sich die StudentInnen in vorher reservierten Räumen aufhalten, der Zugang zum Hochschulgebäude ist nur mit Anmeldung möglich. So versucht man die Anzahl der sich im Gebäude aufhaltenden Personen möglichst gering und überschaubar zu halten. Geprobt werden darf zu zweit, jedoch nur in einem gewissen zeitlichen Rahmen. Zwei Stunden pro Tag sind allerdings für viele Studenten nur ein Bruchteil des täglichen Übepensums. Gesetzlich sind pro Tag zwar drei Stunden häusliches Üben erlaubt, aber wenn die meisten Hausbewohner im Homeoffice sind, übt man schwierige Passagen oder gar moderne Stücke selten ohne den Anflug eines schlechten Gewissens …

Sina Bayer und Jasmin Röder von der Musikhochschule Frankfurt/M


Seminare finden online statt, heißt: die Dozenten verschicken ihre Vorlesung als Audiomaterial, teilweise auch mit Hausaufgaben für die StudentInnen. Kleingruppenunterricht, in denen die direkte Mitarbeit der StudentInnen gefragt ist, findet über Internetportale wie Skype oder Zoom statt. Auch der wöchentliche Hauptfachunterricht ist so geregelt: Meist schickt man als StudentIn eine Aufnahme des Stückes an den Dozenten, die Aufnahmen werden dann in einer Skype-Session analysiert und nächste Übe-Schritte besprochen. In anderen Stunden spielt man direkt vor dem Bildschirm, wie es auch im Normalfall im Live-Unterricht passieren würde. Jedoch: Das Internet ist häufig überlastet, die Verbindung schlecht, manchmal bricht sie sogar ganz ab. Zusammenspiel ist aufgrund der zeitverzögerten Übertragung auch bei bester Internetleistung nicht möglich! Da Blockflöten generell sehr obertonreich sind, ist die Klangqualität der Übertragung meist unzureichend und über feine Nuancen und Abstufungen in der Klangfarbe lassen sich nur vage Aussagen treffen. Auf Stücke, die eine Sopranflöte oder höher erfordern, sollte man - wir sprechen aus Erfahrung - derzeit lieber verzichten!
Generell ist die Hochschule sehr daran interessiert, den StudentInnen in dieser Zeit ein größtmögliches Angebot zu bieten, damit die Nachteile dieser Krise möglichst gering ausfallen. Es werden Infos zum Umgang mit Videoplattformen versendet, Lizenzen zur Verfügung gestellt sowie kleine Online-Konzerte organisiert. Unterricht, der derzeit auf keinem Wege stattfinden kann, wie etwa das Consort-Spiel, wird etwa durch ein betreutes Arrangieren historischer Quellen ersetzt. Trotzdem werden vermutlich viele ein Urlaubssemester beantragen (müssen) und Abschlüsse werden verschoben.
Doch vor allem fehlt uns eines: das Miteinander! Konzerte sind bis in den August hinein abgesagt, Kammermusiken müssen ausfallen und die Ensemblemitglieder fehlen einfach! Musik verbindet und überträgt Emotionen – doch über den Online-Kontakte bleibt so vieles un-übertragen und un-erfahren. Für uns steht fest: Auch guter Online-Unterricht kann echten zwischenmenschlichen Kontakt nicht ersetzen und wir erwarten sehnsüchtig wieder etwas Normalität!
Jasmin Röder & Sina Bayer (Frankfurt am Main)

Blockflöten-Corona in Holland

Und dann war Schluss … Mitte März kam die Pressekonferenz unseres Ministerpräsidenten Mark Rutte mit der Mitteilung, dass auch in den Niederlanden ab sofort keine Konzerte mehr stattfinden würden, einige Tage später wurde auch der Unterricht an Musikschulen eingestellt.
Natürlich ein ziemlicher Hammer für das Publikum, die Schüler und für uns selbst. Ob und wann wir wieder an die Arbeit dürfen, ist noch nicht ganz klar.
Hier in den Niederlanden gab es keinen totalen Lockdown wie zum Beispiel in Italien oder Frankreich. Den Menschen hier wurde geraten zu Hause zu bleiben, nur nach draußen zu gehen, um alleine (!) einzukaufen und kurz um den Block. Letzteres am besten auch alleine, eventuell nur mit der Familie (aber ganz dicht beieinander bleiben, bitte!). Soviel wie möglich von zu Hause aus arbeiten. Und Abstand halten, anderthalb Meter. Händewaschen bis zum Geht-nicht-mehr, usw.
Gaststätten, Konzertsäle und alle anderen öffentlichen Gebäude wurden sofort geschlossen. Für uns als Musiker hat dies natürlich große finanzielle Konsequenzen.

Was fiel weg?

Konzerte: In der Zeit vor Ostern wird traditionell in den Niederlanden die Matthäus-Passion von J. S. Bach etliche Male aufgeführt (vor einigen Jahren wurde allein in der Stadt Amsterdam vor Ostern diese Passion 30 Mal (!) gesungen und gespielt). Es werden auch andere Passionen aufgeführt, aber die Bach‘sche Matthäus-Passion ist schon fast holländisches Kulturerbgut. Vor Kurzem habe ich in einer Konzertmoderation zum Spaß erzählt, dass die Niederlande eigentlich nur zwei berühmte niederländische Komponisten haben: J. S. Bach und J. P. Sweelinck. Leider haben einige Zuhörer ernsthaft zugestimmt …
Aber nun zurück zum Verlust. Auch ich wirke in dieser Zeit an vielen Passionen mit, da ich neben der Blockflöte auch Traversflöte spiele und somit für viele Orchester interessant bin: da sie dann neben den Traversflötisten keine extra Berufsblockflötisten engagieren müssen (falls man sich überhaupt bemüht, richtige Blockflötisten zu fragen für die Nr. 19 (in der Bärenreiter-Partitur) und keine Barockoboisten oder Traversflötisten, die so Blockflöte spielen müssen als eine Art Fremdkörper …). Genug des Zynismus.
Neben einigen Johannes-Passionen von J. S. Bach (als Traversflötist u. a. mit meinem eigenen Orchester) freute ich mich in dieser Saison auch sehr auf die Aufführung der Matthäus-Passion (1769) von C. Ph. E. Bach in der Domkirche in Utrecht. Abgesagt. Auch ein wunderschönes Projekt rund um den Actus Tragicus BWV 106 von Bach konnte nicht stattfinden. Ein Geburtstagskonzert für eine ältere Dame mit meinem Trio da Fusignano war auch nicht mehr drin.
Fast täglich wurden in den letzten Monaten Konzerte abgesagt. Nach Ostern sollte das deutsche Magnificat von Telemann in Culemborg stattfinden mit meinem Orchester. Leider nicht möglich.
Mittlerweile wurden wenigstens ein paar Konzerte verschoben auf nächstes Jahr.
Und wie war es mit dem Unterrichten?
In den Musikschulen, an denen ich unterrichte, wurde schnell geschaltet und die Lehrer wurden alle ermutigt, Unterricht online anzubieten. Dies geschah unglaublich schnell. Schon in der ersten Woche machten meine Schüler nach und nach Gebrauch von diesem Angebot. Ich biete seitdem Einzelunterricht über Skype oder Zoom an. Meinen Ensembles (Blockflötenensembles, Barockensembles und Renaissance-Ensembles) an den Musikschulen konnte ich leider keinen Unterricht anbieten, deshalb sind diese Gruppen darauf angewiesen zu warten, bis die Musikschulen wieder öffnen und es erlaubt ist, wieder mit mehreren Leuten zusammenzutreffen.
Die Kurse und Ensemblecoachings wurden leider auch abgesagt oder verschoben.

Was geht noch?

Ich habe mich von Anfang an nicht von Corona entmutigen lassen. Erstens hatte ich das Glück, dass ich bis jetzt keine gesundheitlichen Beschwerden hatte. Meine Lebensgefährtin und ich sind beide Deutsche und brave Bürger ... immer zu Hause geblieben, nur zum Einkaufen in den Supermarkt und täglich einen kurzen Spaziergang zum Frische-Luft-holen (aber nur in unmittelbarer Nähe!).
Zweitens habe ich sofort die Vorteile in dieser Situation entdeckt.

  1. Was das Spielen betrifft: Leider schrumpfte das Repertoire, das ich wegen der Konzerte vorbereiten sollte, rapide. Das bedeutete dann also, dass ich jetzt Zeit habe, mich mit Werken zu befassen, für die es bisher nie gereicht hat. Da ich sowohl Blockflöte als auch Traversflöte spiele (in fast allen möglichen Varianten), habe ich neben meinen Unterrichts- und Konzertflöten auch Instrumente, die weniger regelmäßig zum Einsatz kommen. Die ideale Chance also, um mal solche Instrumente zur Hand zu nehmen mit ihrem besonderen Repertoire. Als Blockflötisten können wir sehr froh sein, dass unser Instrument so vielseitig ist. Wir können nicht nur aus einem riesigen Repertoire wählen, sondern auch aus unglaublich vielen verschiedenen Größen und Stilen (Garklein, Sopranino, Sixth Flute, Sopran, Fourth Flute, Third Flute, G-Alt, Alt, Voice Flute, Bass, Großbass, Subbass und noch tiefer …, Modelle aus Mittelalter, Renaissance, Barock, Klassik/Romantik (Csakan, Flageolet), Moderne und natürlich Stimmtonhöhen: a1 = 520 Hz, 466 Hz, 440 Hz, 415 Hz, 392 Hz und alles was es dazwischen gibt). Also, Langeweile mit unserem Instrument müssen wir nicht haben, vorausgesetzt man hat auch so viele Blockflöten …
    Am Anfang des »intelligenten Lockdowns«, wie unser Ministerpräsident ihn so schön nennt, kamen zum Glück zwei neue Blockflöten ins Haus, die natürlich eingespielt werden mussten. Mit einer Flöte (einem Mittelalter-Modell) habe ich mich dann auf die Suche nach geeignetem Solo-Repertoire gemacht und fleißig geübt.
    Da ich leider nicht mit meinen Kollegen proben kann, habe ich mich in der letzten Zeit vor allem mit Solostücken ohne Begleitung befasst. Vor allem die zeitgenössische Musik bietet da reichhaltige Auswahl. Jeder kennt das doch: Man hat unglaublich viele Noten gesammelt im Laufe der Jahre – aber wer hat sie auch schon alle gespielt? Da gibt es immer wieder Überraschungen.
  2. Das Unterrichten wurde etwas weniger intensiv als vor Corona. Ich unterrichte normalerweise drei volle Tage (Musikschule/Privat). Da ich viele Ensembles unterrichte (Blockflötenensembles, Barockensembles, Renaissance-Ensemble), fiel die Arbeit mit diesen leider weg. Online-Unterricht hat sich bei mir bisher nur einigermaßen sinnvoll ergeben bei Einzelstunden. Die meisten meiner Schüler (nicht alle) haben sich mittlerweile für die Online-Alternative entschieden. Da ich zur Zeit natürlich ganztägig zu Hause bin, biete ich die Unterrichtszeiten flexibel an. Das heißt, dass man auf Wunsch auch zu anderen Zeiten als sonst seine Stunde haben kann. Auch meine Schüler haben momentan oft einen ganz anderen Alltag. Ich empfinde den Online-Unterricht als eine super Alternative in der jetzigen Situation. Er fordert noch mehr die Eigeninitiative des Schülers heraus, da bei Skype, Zoom u. a. die Klangqualität nicht immer optimal ist. Man kann oft nicht vernünftig an Klang oder Artikulation arbeiten; der Schüler muss sich also zum Teil selber unterrichten und kritischer sein. Vor- und Nachspielen geht, Zusammenspielen leider nicht. Zum Glück gibt es mittlerweile viele Unterrichtswerke und Vortragsstücke mit CD (und vernünftigen Begleitungen) wie bei Dowani. Es ist nicht dasselbe wie beim Zusammenspiel mit einem anderen Menschen im selben Raum, aber als Alternative meiner Meinung nach doch sinnvoll.
    Nicht alle Schüler wollen Online-Unterricht, manche haben auch nicht die Möglichkeiten (genügend Ruhe im Haus, vernünftiges WIFI, usw.). Das ist auch kein Problem. Jeden Monat schicke ich einen Newsletter mit Neuigkeiten von mir persönlich, über Blockflötenthemen, die mich beschäftigen. Hör- und Lesetipps usw. sind für die meisten Schüler sehr motivierend, da sie so sehen, dass unser Instrument das vielseitigste Instrument ist, das es gibt. Außerdem halte ich auf diese Art den Kontakt mit allen aufrecht.
  3. Der Vorteil des Online-Unterrichts ist, dass ich nicht mehr mit Bus und Bahn zur Musikschule fahren muss. Quarantäne heißt: keine Konzerte, also auch keine Proben. Diese Zeit kann ich jetzt nutzen, um neue Konzertprogramme zu gestalten, vielleicht sogar »Corona-proof«. Es gibt viel Zeit zum Lesen. Ganze Bücherschränke werden hier leer gelesen. Sowohl Fachliteratur als auch Romane. Sowas inspiriert unglaublich, so bekomme ich viele Ideen für Konzertprogramme und Projekte für meine Schüler. Auch kann ich jetzt endlich all die CDs anhören (ja, so altmodisch bin ich immer noch) und DVDs anschauen, wozu ich im normalen Alltag keine Zeit habe.
    Meine Lebensgefährtin ist professionelle Sängerin und eine sehr gute Amateurblock- und Traversflötistin und das führt dazu, dass wir gemeinsam Duette spielen und Repertoire für Sopran und Blockflöte entdecken (sowohl Alte als auch Neue Musik).
  4. Soziale Kontakte sind momentan natürlich sehr beschränkt. Viele Gespräche gehen leider nur telefonisch oder über Skype oder Zoom. So hält man aber den Kontakt. Und über Social Media wie zum Beispiel Facebook hat man auch schon mal unerwartete Gespräche mit Kollegen aus dem Ausland. Austausch bleibt halt auch sehr wichtig und jetzt gibt es ein wenig Zeit dafür.

Zukunft

Durch die täglichen Spaziergänge denke ich viel nach über die Zukunft. Wie sieht es in den nächsten Monaten aus? Vielleicht muss ich eine neue Konzertform erfinden für mich selber, bis wir einen Impfstoff gefunden haben und wir Corona viel mehr kontrollieren können. Solokonzerte über Facebook oder YouTube mit der Bitte um eine Spende? Oder Online-Konzerte, die man auf einer Website sehen kann, nachdem man vorher ein Ticket gekauft hat?
Ist jetzt endlich die ganz große Zeit der Kammermusikensembles? Da gibt es jede Menge sicheren Platz auf der Bühne (mit genügend Abstand zueinander). Keine großen Orchester oder Chöre, sondern zum Beispiel professionelle Ensembles mit Blockflöte(n) mit spannenden Programmen, unentdeckten Werken und neuen Kompositionen?
Der Real-Life-Unterricht beginnt hier in den Niederlanden an den Musikschulen wieder (wenn alles gut geht) ab dem 1. Juni. Ich überlege mir, ob ich den Online-Unterricht beibehalte. Vielleicht Tutorials exklusiv für meine Schüler? Aber bitte nur Sachen, die nicht schon von irgend jemandem vorher gezeigt wurden. Das spart jede Menge Zeit und Mühe und es bringt Raum zum Diskutieren!
Es gibt noch viel nachzudenken, bis wir wieder nach draußen dürfen … Bis dahin gibt es in der guten Stube noch viel zu tun und zu entdecken!

Tipps

  1. Lernt Csakan spielen. Das Repertoire ist groß, es gibt viele sehr anspruchsvolle Solostücke. Gut für die Technik. So bleibt man fit für die Zeit nach Corona!
    Der Csakan ist außerdem ein leises Instrument (Labium zeigt zum Spieler), das ist vor allem praktisch, da die Nachbarn momentan wahrscheinlich ganztägig zu Hause sind …
    Und man kann natürlich sehr stilvoll damit spazieren gehen …
  2. Für meine Kollegen: Auch wir Profis können diese Zeit nutzen, um selber Online-Unterricht zu nehmen und uns inspirieren zu lassen von Kollegen zu bestimmten Themen.


Sascha Mommertz (Hilversum, Niederland)

 

Bericht aus Frankreich

Sie kam nicht unerwartet, aber dann doch schnell, plötzlich und radikal: die Ausgangssperre in Frankreich. Theater und Konzerthäuser waren bereits zu und dann, innerhalb weniger Tage, schlossen sämtliche Krippen, Schulen und Universitäten, Restaurants und alle Geschäfte außer Lebensmittelläden und schließlich wurde sogar der Aufenthalt in öffentlichen Parks und Wäldern untersagt. Offiziell darf man sich höchstens einen Kilometer von zu Hause entfernen.
Seit dem 17. März bewegen wir uns nur noch einzeln, ausgerüstet mit Pass oder Personalausweis und einem selbstausgefüllten Passierschein, auf dem das Datum, Grund des Ausgangs und unsere Adresse stehen. Diese Möglichkeit nutze ich jeden Morgen – ich bin von Natur aus Frühaufsteherin – und bin eine gute Stunde entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs. Dabei fotografiere ich den Frühling – das Wetter ist fantastisch und die Natur eine nimmermüde Künstlerin.
Zu unserem Glück wohnen wir in einem kleinen Haus mit Garten in einer kleinen Vorstadt von Paris. Mein Mann und ich arbeiten beide weiter Vollzeit von zu Hause. Kein leichtes Unterfangen, weil wir nebenher auch unseren Sohn betreuen, der weiter »Schule« in Vollzeit hat.
Seit der Ausgangssperre hat sich nun viel in meiner Arbeit geändert: Nachdem wir das O. K. von unseren Vorgesetzten bekamen, wurden wir Instrumentallehrer mit einem Mal in die Online-Welt katapultiert.
Unterrichten geht jetzt per Skype und Discord, bei anderen über Zoom oder Microsoft-Teams und manchmal sogar nur über Telefon bei Familien, die keine weiteren digitalen Geräte besitzen. Für guten Online-Unterricht braucht man aber eigentlich eine angemessene Ausstattung: Ich habe ein gutes Mikrofon, eine Soundkarte und ordentliche Kopfhörer, und dann habe ich mir noch schnell einen großen Bildschirm bestellt. Das war eine beträchtliche Erleichterung für meine Augen. Meine Schüler besitzen so etwas meist nicht.
Aber in diesen Zeiten kommt es auf andere Dinge an: Alle sind dankbar, dass der Unterricht weitergeht (ich übrigens auch), und alle Schülerinnen und Schüler machen gut mit, sogar die ganz kleinen vom Instrumenten-Karussell. Allerdings ist es für viele schwierig, in der Isolation zu Hause zu üben. Allein ein Kind zum Hausaufgaben machen zu überreden, kann schon eine Herausforderung sein. Eltern wissen sehr gut, wovon ich spreche.
In dieser Situation sehe ich mich vieler pädagogischer Mittel beraubt: Meine Lieblingsarbeitsweise ist, gemeinsam mit den Schülern zu musizieren und sie dabei lernen zu lassen. Nun ist mein Unterricht etwas technischer geworden. Zum Glück funktionieren improvisierte Frage- und Antwortspiele ganz gut – sogar mit historischen Bassmelodien.
Für den Gruppenunterricht hatte ich anfangs jedem ein Einzeltraining von etwa zehn Minuten eingerichtet. Das war aber sehr anstrengend, und da inzwischen alle Jahresendkonzerte abgesagt sind, war es nicht mehr sinnvoll. Inzwischen habe ich PowerPoint-Präsentationen zur Geschichte der Blockflöte vorbereitet, die werden nun über meinen Discord-Server gestreamt. Nach jedem Abschnitt, der ein paar Minuten dauert, können Fragen gestellt werden.
Außerdem habe ich zu allgemeinen Themen, wie Atmung und Haltung, kurze Videos gedreht und sie den Schülern im Netz zur Verfügung gestellt.
Der Unterricht geht für uns, die am Konservatorium lehren und zum öffentlichen Dienst gehören, also weiter und es gibt zunächst keine Existenzängste. Viele andere Musikschulen sind als Verein organisiert. Entweder unterrichten hier die Lehrer auch weiter online oder sie müssen in Teilzeitarbeitslosigkeit. Letzteres ist vielleicht illegal – da gibt es im Moment heftige Diskussionen. Privatlehrer, die, wie in Frankreich üblich, ins Haus kommen, haben den Status eines Hausangestellten, wie Haushaltshilfen, Babysitter und Gärtner. Hier übernimmt im Moment der Staat 80% des Gehaltes. Lehrern, die selbstständig als eine Art Ich-AG arbeiten, wurden Hilfen zugesagt; was davon bisher realisiert ist, weiß ich nicht.
Und meine freien Kolleginnen und Kollegen? Sie haben oft den Status des »Intermittant de spectacle«. Hierzu gehören nicht nur Künstler, sondern zum Beispiel auch Lichttechniker und Kameraleute. Diesen Status bekommt man aber nur, wenn man eine bestimmte Mindestzahl an Arbeitsstunden nachweisen kann – und das sind nicht wenige. Dafür haben die Künstler für eine gewisse Zeit Anspruch auf Arbeitslosengeld. Da in diesem Jahr wohl kaum einer genug Stunden nachweisen kann, soll die Zahl der dafür nötigen Arbeitsstunden gesenkt werden. Aber es gibt noch keine konkreten Vorschläge. Klingt gut: Arbeitslosengeld für Künstler. Dafür gibt es in Frankreich keine Künstlersozialkasse. Wenn wir auftreten, zahlen wir immer etwa 40% Sozialgebühren.
Inzwischen wird in der Politik diskutiert, ob kleine Konzerte und Festivals im Sommer schon wieder möglich sein können. Aber auch das steht noch lange nicht fest.
Und dann gibt es sicherlich die, die im Moment gar nichts haben und verzweifelt sind. In meinem Bekanntenkreis hier in Frankreich gibt es niemanden. Ich verfolge die Nachrichten aus Deutschland und hoffe sehr, dass es dort Lösungen für die Kollegen gibt.
Viel gelernt, wenig Zeit, um meinen abgesagten Konzertreisen nach Deutschland nachzutrauern – und so kommt im Moment die eigene Kunst ein wenig zu kurz. Immerhin spiele ich jeden Tag ein Minikonzert auf unserer Terrasse für unsere Nachbarn. Anschließend gibt es ein Schwätzchen über den Gartenzaun. Ein schönes Ritual für alle Beteiligten.
Covid-19 wird Spuren hinterlassen. Was kann in Zukunft in unserem Arbeitsbereich sinnvoll genutzt werden? Es ist noch zu früh und die Zeit zu ungewiss, um da eine feste Meinung zu haben. Ich selbst denke, dass für Kinder und Jugendliche der persönliche Kontakt beim Musizieren der Motivationsfaktor Nummer eins ist, egal ob mit dem Lehrer oder mit anderen Mitspielern. Das kann das Internet nicht ersetzen. Ich kann mir aber zum Beispiel vorstellen, vor allen Dingen, wenn wir aus gesundheitlichen Gründen weiter vorsichtig sein müssen, dass ein Instrumentallehrer mit Schnupfen auch ausnahmsweise von zu Hause unterrichten könnte, anstatt sich ins Konservatorium zu schleppen und Kollegen und Schüler anzustecken.
Es scheint auch vielen klar zu sein, welchen Wert die Kultur im allgemeinen Leben hat und dass sie außerdem auch tatsächlich ein Wirtschaftsfaktor ist. Ich glaube, dass das kulturelle Leben wieder aufblühen wird, vielleicht sogar schöner und besser denn je. Allerdings wird es dauern. Hoffen wir das Beste.
Eva Maria Schieffer (Palaiseau/Frankreich) 

Zur Situation in Katalonien

Zu Beginn der Ausgangssperre habe ich noch versucht, den Klassenunterricht einigermaßen aufrecht zu halten. Ich habe die Schüler - mit mal mehr und mal weniger Erfolg – weiter dazu angehalten, dieselben Übungen und Stücke zu machen, die ich dann per Videokonferenz überprüft habe. Aber schon nach kurzer Zeit wurde ich mit der Tatsache konfrontiert, dass es diese Methode nicht erlaubt, mit meinen Leuten zusammenzuspielen und sie auf diese Weise inspirieren zu können. So änderte ich meinen Ansatz: Jetzt machen wir Projektarbeit, erlernen andere Fähigkeiten: etwa wie man künstlerisch kreative Audio- und Videoaufnahmen machen kann, wie man persönliche und kollektive Kreativität fördert und wie man individuellen Fragen nachgeht, wie etwa hinsichtlich der Spielhaltung.
Vilanova i la Geltrú ist eine kleine Stadt in der Nähe von Barcelona, die ziemlich stark von der Coronavirus-Epidemie betroffen war. Ihre entsprechend leidgeprüfte Bevölkerung entwickelte zahlreiche Solidaritätsaktionen. Eines der Projekte sind die Balkonkonzerte, wo die Aufführung einer populären Melodie all jene ermutigen soll, die sich gegen die Verbreitung von COVID-19 einsetzen. Meine zwischen sechs und 15 Jahre alten Blockflötenschüler haben sich auch an einer weiteren Aktion beteiligt, dem »Musizieren für ältere Leute«. Unter der Leitung eines Musiktherapeuten wurde von allen zu Hause ein Stück aufgenommen und allen schutzbedürftigen Menschen zugeeignet. Zusätzlich haben wir mit unserer Blockflötenklasse im Mehrspur-Aufnahmeverfahren einige Sachen aus dem Popbereich und mit historischen Motiven und Themen gestaltet, was recht gut angekommen ist. Im Homerecording-Bereich ist es empfehlenswert, mit Metronom zu arbeiten, aufmerksam zuzuhören und akkurat dazu zu spielen. Wir haben auch einige Übungen erstellt, bei denen zu selbst aufgenommenen Ostinatos improvisiert werden kann. Und wir haben eine Videokonferenz über die Geschichte der Blockflöte gemacht und bei Vorspielen von Blockflötenmusik unser eigenes analytisches Hören weiter geschult.
Eloi Fuguet Surroca, Vilanova i la Geltrú (Katalonien)

Blockflötenunterricht in Israel während der Coronazeit

Wie in den meisten Ländern erfolgte auch in Israel ein totaler Shutdown ab Mitte März. Die Leute sind gezwungen entweder zu lernen, wie man online arbeitet oder das Arbeiten zu unterlassen. Aber wie einst der griechische Philosoph Platon sagte: »Not ist die Mutter aller Erfindung!« Und so entwickeln einheimische Musiker und Institutionen allerlei Initiativen, um unter den veränderten Umständen weiter kreativ sein zu können.
In Israel gehört die Blockflöte zu den recht populären Instrumenten und kann auf ganz verschiedenen Levels erlernt werden. Das Erziehungsministerium nimmt den Blockflötenunterricht recht ernst – in den letzten Jahren wurde ein Blockflötenlehrplan entwickelt. Er umfasst von Experten verfasste Methodikbücher für Schulen, eine das Lernprogramm begleitende interaktive Computer-Website (Bandpad) sowie jährliche Kurse für die Erweiterung der blockflötistischen Fähigkeiten (Technik, Repertoire etc.) für Lehrer allgemeiner Schulen.
All diese Programme konnten auch während des Shutdowns vollumfänglich fortgeführt werden. So erhielten Grundschüler Onlineunterricht durch Lehrer, die wiederum selbst lernen mussten, ihren Unterricht durch Zoom kreativ zu gestalten. Wie erwähnt arbeiten viele Schulen mit der vom Erziehungsministerium empfohlenen Bandpad-Plattform. Bereits 2011 wurde Bandpad von Amit Gur entwickelt, einem Blasorchester-Leiter und Computerfachmann, der seinen Schülern eine Plattform zur Verfügung stellen wollte, mit der sie ihre Partie zu Hause üben und dabei in den Genuss des Orchestergesamtklangs kommen konnten. Diese Website wurde rasch auch bei anderen Lehrern beliebt. Bandpad stellt interaktive Online-Musikpartituren mit einer qualitativ hochwertigen Begleitung zur Verfügung, welche sowohl im Unterricht als auch zu Hause verwendet werden können. Ergänzt durch musikalische Online-Computerspiele und Lehrer-Schüler-Interaktionen wurde Bandpad zu einer Hausnummer in Coronazeiten. »LiveSense technology« – die einzigartige Entwicklung von Bandpad – verwendet das Mikrofon des jeweiligen Endgeräts für Rückmeldungen zum Können am eigenen Instrument bei Lernspielen in Echtzeit. Die Schüler erhalten Zugang zu Hunderten von Melodien mit interaktiven Noten, was sie am Instrument und beim Notenlesen voranbringt. Die Website ist nicht nur auf die Blockflöte abgestimmt, sondern erlaubt auch die Verwendung vieler anderer Instrumente und wurde bereits ins Englische, Deutsche, Chinesische und Arabische übersetzt.
Seit Corona haben die Bandpad-Leute viele neue Features ergänzt, die es ermöglichen, dass Schüler und Lehrer sich bei Videosessions »treffen« können. Als sich die Situation zuspitzte, kreierte Amit Gur eine Serie von acht Einheiten für Kinder, die Blockflöte lernen möchten – nicht weniger als 700 Kinder aus dem ganzen Land nahmen daran neu teil.
Die israelische schulische Nachmittagsbetreuung für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre werden »Konservatorien« genannt; sie gehören dem Sektor der informellen Bildung an. Alle »nichtobligatorischen« Aktivitäten wurden natürlich eingestellt; einige Konservatorien entschlossen sich jedoch dazu, privaten Unterricht, Ensemble- und selbst Chorarbeit weiter aufrechtzuerhalten, wobei die Lehrer angehalten wurden, sich selbst in Applikationen wie Acapella und Audacity einzuarbeiten.
Ausbildungsinstitute sind physisch geschlossen, unterrichten aber weiter online. Da Instrumental- und Theoriestunden leichter dem Onlineleben angepasst werden können, gingen wir ein schwierigeres Problem an: Was kann man machen bei jenen Aspekten des Lehrplans, für die unsere Studenten (Referendare) zur Schule gehen müssen, um Unterrichtsstunden beizuwohnen und um selbst das Lehren zu üben?

Drittklässler im Blockflötenunterricht mit der international bekannten Spielerin Bracha Kol

Die Blockflötistin Bracha Kol in einem YouTube Video

So hatte unser Professorenteam einen gesamten »Online-Lehrplan des Lehrens« im Sinn eines erfahrungsbasierten Unterrichtens zu entwickeln. Bei der Auseinandersetzung mit vielen kreativen Ideen wurden auch gemeinsame Veranstaltungen für Studenten aus allen Landesteilen geschaffen, die ja dann – anders als bei normalen Klassensituationen – alle auf einmal gemeinsam betreut werden. Hier im Bildbeispiel zu sehen ist der 13-jährige Blockflötenschüler Avner (beim Spielen zu sehen in Reihe 4 als Zweiter von links), wie er von den Studenten beobachtet wird, die dann im Anschluss üben werden, ihm selbst Unterricht zu erteilen.
Das Erziehungsministerium hat auch einige Fernsehsendungen ins Leben gerufen, die dafür gedacht sind, die Schüler daran zu erinnern, was sie in der Schule lernen sollen. Jedes israelische Schulkind erhält einen zu befolgenden Tagesablauf an Unterrichtsinhalten. In dieser Woche wurde der Blockflötenunterricht für Drittklässler von der international bekannten Spielerin Bracha Kol ergänzt – sie erinnerte daran, was die Kinder bereits während des vergangenen Schuljahres gelernt hatten und weiterüben sollten.
Hier in Israel scheinen die Lehrer ziemlich interessiert am Finden neuer Wege für die Fortsetzung des Unterrichts auf Onlinebasis zu sein, was auch die Lösung auftretender technischer Probleme mit einbezieht (z. B. Rückkopplungen und unliebsame Echos …). Das ist gewiss auch der Tatsache geschuldet, dass es in Israel relativ wenig Sozialunterstützung gibt: Wer also nicht arbeitet, bezieht auch kein Gehalt mehr …
Aus meiner persönlichen Sicht meine ich, durch die veränderte Situation sogar eine bessere Lehrerin geworden zu sein. Natürlich hatte ich bereits seit vielen Jahren unterrichtet und war verantwortlich für vielerlei Aspekte des Blockflötenunterrichts in Israel. Wie man weiß, kann bei stundenlanger Lehrtätigkeit in unterschiedlichen Situationen und der ganzen Herumfahrerei von Ort zu Ort das wöchentliche Unterrichten ganz schön anstrengend werden. Konfrontiert mit den neuen Umständen, musste ich meine Arbeit komplett überdenken: Zu definieren, was ich auf welche Art erreichen könnte, veranlasste mich dazu, weitaus präziser vorzugehen. Auf der anderen Seite wurde mir deutlich, wie sehr ich meine Schüler und Studenten vermisse und was ihnen der Unterricht bedeutet bzw. wie er ihnen hilft durch diese schwierige Zeit zu kommen. Und mir natürlich auch …
Ich hoffe, dass wir alle bald gesund und gestärkt in den normalen Alltag zurückfinden können, aber dabei auch inzwischen neu Bewährtes integrieren werden.
Drora Bruck (Tel Aviv/Israel)

 

Die neue Wirklichkeit

Digitales Unterrichten in der Corona-Krise

Eindrücke aus Sydney

Es ist schon eine interessante Studie, wie wir auf die unterschiedlichsten Weisen mit den momentanen Extrem-Verhältnissen umgehen, und in vielen Einzelheiten betritt man mehr als sonst absolutes Neuland. Allein dies ist schon ein positiver Lernprozess, zu dem jede Generation auf ihre Weise beiträgt.
»Da mussten wir während und nach der Kriegszeit aber auf wesentlich mehr verzichten«, war die relativierend-trockene Bemerkung meiner Kusine in Berlin auf Ausgangssperren und Beeinträchtigungen im täglichen Leben. Fakt ist aber schon, dass die jüngeren Generationen gerade etwas Monumentales mitmachen, das viele – auch von uns Älteren – so noch nicht erlebt haben. Das verbindet!
Genauer betrachtet ist diese Wirklichkeit so »neu« eigentlich nicht. In Australien jedenfalls gibt es z. B. ein Programm für Distance Education schon seit langem – bedingt durch die geringe Bevölkerungsdichte im Outback und die enormen physischen Entfernungen. Auch ist Reisen nicht immer praktikabel. Daher besitzen die meisten Institutionen schon seit Jahren technisch hochwertige Vorrichtungen für Netzkommunikation.
Als klar wurde, dass der Unterricht für eine Zeitlang auf die digitalen Platformen verlegt werden musste, ging die Umstellung relativ glatt – nicht zuletzt durch die adaptive Bereitschaft der meisten Schüler und Lehrer, aber auch als Reaktion auf die real existierende Bedrohung vieler Musikerexistenzen. Sofort wurden im Rahmen der verschiedenen Facebook-Gruppen und etablierten musikalischen Societies Informationen bezüglich der besten Ausrüstungen und Software-Einstellungen ausgetauscht, sodass wir alle in kurzer Zeit sehr viel dazugelernt haben.
Natürlich ist es eine Sache, theoretische Vorlesungen ins Netz zu stellen oder über Live-Schaltungen zu diskutieren, und eine andere, praktische künstlerische Inhalte zu vermitteln. Die technischen Probleme mit Bild und Ton in den verfügbaren Medien sind inzwischen jedem bewusst und können frustrierend sein. Nichts kann ultimativ den persönlichen Kontakt und die subtilen Interaktionen des persönlichen Unterrichts ersetzen, aber er ist eben auch nur ein Teil im pädagogischen Prozess.
So entdecken sowohl Lernende als Lehrende eine interessante neue Qualität in der Kommunikation. Physische Distanz zwingt zu grösserer intellektueller Anstrengung und Konzentration. Man muss präziser und gezielter kommentieren, der Modus des Korrigierens ist ein anderer, man hört anders zu. Das ist anstrengend, und »Zoom-Müdigkeit« ist inzwischen ein etablierter Begriff.
Ein ganz anderer Aspekt ist, dass man die Schüler und Studenten in ihrer heimischen Umgebung erlebt, in der sie oft anders reagieren als im offiziellen Raum – dies kann sowohl positive Einblicke geben als auch zu konfrontierenden Situationen führen (enough said!).
Persönlich profitiere ich jetzt davon, als Folge fokaler Dystonie meine Querflötenschüler schon seit Langem ausschliesslich mit verbalem Feedback unterrichtet zu haben. Angesichts der medialen Klangprobleme ist das nun auch für die Blockflöte ein wertvolle Erfahrung.
Weitere positive Initiativen ergeben sich durch die steigende Akzeptanz und kompetentere Beherrschung der Kommunikationsmedien. So hatte ich gerade das grosse Vergnügen, die Blockflötenklasse von Prof. Ulrike Volkhardt an der Folkwang Universität als unabhängiger »Zugeschalteter« mit ihren Prüfungsstücken anzuhören – auch das ein interessanter Einblick in neue Möglichkeiten!
Eine besondere Initiative für uns in Sydney und Neu-Süd-Wales erforderte das gerade ins Leben gerufene Blockflötenensemble/Orchester im Rahmen von »Symphonia Jubilate« – einem dem Bildungsministerium eingegliederten Orchester- und Chorprogramm für Kinder und Teenager. Wir hatten gerade unsere erste, vielversprechende (!) Probe absolviert, als alle weiteren Aktivitäten, inklusive des alljährlichen School Recorder Camps, bis auf weiteres ausgesetzt wurden. Die Organisatoren liessen sich in der Folge einiges einfallen, um die Schüler bei der Stange und uns Lehrkräfte in Anstellung zu halten. So produzieren wir z. B. regelmässig Instruktions-Videos, in denen wir Übemethoden besprechen und kritische Stellen demonstrieren.
Im Universitätsbereich arbeiten wir mit einer Mischung von Live-Aktivitäten und vorbereiteten Aufnahmen, die Studenten für Konzertklassen einspielen können. Zum Glück geht das mittlerweile schon mit Handys; aber man ist erstaunt, welch gute Ausrüstung einige Studenten zu Hause bereit haben – und wie sie das dazugehörige Fachwissen mit uns teilen können. Das Ganze wird in den Uni-Server hochgeladen und ist von dort aus abrufbar.
Grosse Schwierigkeiten ergeben sich in ganz Australien für Vollzeit-Musiker, selbst in den grossen Orchestern des Landes. Durch die in den vergangenen Jahren immer wieder erfolgten Einschnitte bei den öffentlichen Subventionen sind viele etablierte Ensembles am Rande ¬– oder schon im Griff – des finanziellen Ruins. Musiker hier sind nicht unbedingt sehr politisch, aber die Kritik an der Regierung in Canberra und auch den Landesregierungen wird immer lauter. Schliesslich waren es Musiker, die mit spontanen Benefizkonzerten während der Buschfeuerkatastrophe selbstlos soziale Solidarität demonstrierten! Als erstes Bundesland hat nun Victoria ein Hilfsprogramm für Künstler beschlossen. Besser spät als nie!
Es bleibt zu hoffen, dass nach der Katastrophe viele positive und zukunftsweisende Einsichten gewonnen und umgesetzt werden.
Wie ich neulich las: »Back to normal after the problem is NOT an option, because ‘normal’ WAS the problem …«
Hans-Dieter Michatz (Sydney/Australien)

Unterrichtssituation bei Gustavo de Francisco und Renata Pereira (São Paulo/Brasilien)

Zoom für Brasiliens Blockflöten in Quarantäne

Schwierige Zeiten zwingen Kunstschaffende, sich neu zu erfinden und kreativ andere Wege zu gehen, um mit dem Publikum in Verbindung zu treten.
Am 24. Mai wurden es für uns zwei Monate in sozialer Isolation. Bedauerlicherweise waren Proben, Konzerte und Tourneen abgesagt worden. Aber wir entdeckten auch einige positive Aspekte unserer Situation: Der Präsenzunterricht wurde in Online-Unterricht umgewandelt – in erstaunlich guter Qualität und als Erfahrungsgewinn für die Schüler. Nach neun Wochen Sozialisolation möchten wir mitteilen, was wir dazugelernt haben, um weiter miteinander zu musizieren und die Blockflötengemeinschaft zu stärken.
Bereits vor der Pandemie hatten wir schon Online-Schüler, einige davon in anderen Ländern wie Australien und Belgien sowie einige in weitabgelegenen Gegenden Brasiliens (das eine Längsausdehnung von 4392 Kilometern hat und 4319 Kilometer breit ist – ziemlich groß im Vergleich mit jedem Land Europas). Diese Online-Vorerfahrung kam uns jetzt zugute.
Wir unterrichten nach der sogenannten Muttersprachen-Methode, die auch als Suzuki-Methode bekannt ist. Wir haben sie ausgewählt, weil wir der Ansicht sind, dass ein jeder auf hohem Niveau Musik machen kann, wenn er den Lernprozess als eine Art neue Sprache auffasst. Dies ist ein wichtiger Aspekt unseres Unterrichts, der bei der Entwicklung eines schönen Klangs die Erfahrung großer Zufriedenheit und raschen Fortschritts ermöglicht sowie ein Zusammengehörigkeitsgefühl und Eigenengagement aufkommen lässt. Diese wichtigen Erfahrungen bei der Suzuki-Methode stärken auch Online-Kontakte zu Leuten in Quarantäne.
Im Suzuki-Zentrum für musikalische Erziehung arbeiten wir mit gleichgesinnten Kollegen anderer Instrumente zusammen, wie Geige, Gitarre, Klavier, Gesang u. a. Pro Woche erhält man dort jeweils eine Einzel- und eine Gruppenstunde. Mit Beginn der Quarantäne ließen sich alle Individualstunden leicht online durchführen; lediglich das Gruppenformat musste überdacht werden. Gemäß der Suzuki-Gruppenlernprinzipien entwickelten oder verbesserten wir folgende neue Strategien:

  1. Stärkung des Erlernten im Einzelunterricht: Der Schüler spielt Erlerntes seinen Kollegen vor, und jene haben die Aufgabe, dabei einen positiven Aspekt hervorzuheben. Am Schluss fügen noch wir Lehrer etwas hinzu: einen speziellen Hinweis und etwas Verbesserungswürdiges.
  2. Repertoirebetrachtung hinsichtlich der Entwicklung neuer Fähigkeiten sowie Auftrittsvorbereitung: Wenn wir das Audiosignal der Gesprächspartner ausstellen, können wir selbst etwas vorspielen, und die anderen können jeweils mitspielen, egal wann das Signal bei ihnen ankommt. Dabei werden die Schüler jeweils von ihren Eltern gefilmt, die uns dann das Material nach dieser Klassenstunde zur Begutachtung zusenden.
  3. Entwicklungsgemeinschaft: Wir laden regelmäßig auswärtige Lehrer zur Mitwirkung bei unserem Unterricht ein, und unsere Schüler werden ebenso oft bei Aktivitäten auswärtiger Blockflötenlehrer zum Mitmachen eingeladen. So hatten wir schon Paul Leenhouts in Gruppenstunden mit dabei; viele Schülern nahmen auch am Global Community Recorder Orchestra teil, einem von Sarah Cantor organisierten Projekt. Dann gibt es noch viele Online-Vorspiele der Suzuki-Gemeinschaft weltweit.
  4. Entwicklung kammermusikalischer Fähigkeiten im Ensemble: Das ist aufgrund der Internet-Verzögerung der problematischste Aspekt bei Online-Video-Verbindungen. Deshalb arbeiten wir hierbei offline: Jeder Schüler nimmt seinen Part für sich auf, und wir bauen anschließend alles in der Videobearbeitung zusammen.

Unserer Ansicht nach erzielt Zoom die besten Audio- und Video-Ergebnisse im Vergleich mit anderen Apps wie Google Meet, Skype, Messenger, Jitsi. Es beinhaltet auch allerlei nützliche Funktionen wie »Original-Sound, virtueller Hintergrund, Chat, Zeitplaner, Hintergrundräume, Aufnahme, Live-Übertragungen auf YouTube und Facebook usw. Wir beziehen auch andere Apps bei Zoom ein wie SnapCamera und OBS Studio, womit sich spezielle Effekte im Unterricht hinzufügen lassen.
Manchmal verfolgen wir die Übungseinheiten von Schülern über WhatsApp, wo sie Audio- und Videodateien aufnehmen und können so gezielt Hinweise erteilen, bevor es wieder in die Gruppenstunde geht.
Abgesehen von den Einzel- und Gruppenstunden tauschen wir uns regelmäßig mit drei anderen Lehrern zu Ideen und der besten Verwendung von Apps für Online-Klassenstunden aus – technisch und pädagogisch.
Mit diesen Kollegen haben wir unterdessen zwei Webinare abgehalten, wo wir Unterrichtsstrategien und Technikprobleme mit rund 500 anderen Lehrern und Enthusiasten teilten. Weitere werden folgen. Wir unterhalten uns auf Portugiesisch, aber mit der automatischen Untertitelfunktion kann man sich das übersetzen lassen:

https://www.youtube.com/watch?v=REAvb5N1L8M

https://www.youtube.com/watch?v=8fnTf_tXLZE

Wozu das alles? Natürlich zum Nutzen der Schüler. Leider haben viele den Eindruck, sie stünden im Krieg mit einem unsichtbaren Feind oder seien wenigstens sehr einsam aufgrund der Quarantäne, was alles empfindliche Auswirkungen aufs Gemüt hat. Da sind Musikstunden Oasen des Musikmachens, schöne Momente, wo man Spaß mit Freunden haben, sich weiterentwickeln und hinzulernen kann. Das trägt erheblich zur guten Entwicklung der Schüler bei.
Schüler haben nun eine neue Lernerfahrung kennengelernt, die sich auch noch nach Ende der Quarantäne bewähren wird.
Im Suzuki-Zentrum für Musikerziehung unterrichtet Gustavo die Erwachsenen und Renata kümmert sich um die Kids und Teenager. Unsere Arbeit fusst auf der Charakterentwicklung vermittels der Musik. Vor allem in solch schwierigen Zeiten wird Schülern deutlich, was die musikalische Sprache in unserer Gefühlswelt bewirken kann. Für besagte Schüler ist die Musik in ihrer neuen Wirklichkeit zu der Konstante geworden. Musik transportiert uns zu uns selbst zurück; sie hilft Schlimmes zu überbrücken und sich ihm zu stellen.

Gustavo de Francisco und Renata Pereira sind Blockflötenspieler im Quinta Essentia Quartet sowie Lehrer am Suzuki-Zentrum für Musikerziehung in São Paulo.

centrosuzuki.com.br

quintaessentia.com.br

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Unterrichts- und Mitspielformate in den USA 

Wie andernorts sind persönliche Treffen nicht möglich – alles was wir Blockflötenlehrer daher momentan leisten können, ist online zu unterrichten. Meiner Erfahrung nach lässt sich das ganz sinnvoll und effektiv mit fortgeschritteneren Schülern bewerkstelligen, die ausreichend Selbstwahrnehmung haben, um Anweisungen gut umzusetzen. Beispielsweise unterrichte ich auf diese Weise einen Schüler, der meistenteils Solostücke auf dem Helder Tenor spielt. Auch wenn wir nicht im selben Raum sind, habe ich den Eindruck, dass die Stunden gut verlaufen. Ich habe meine Schüler gebeten, mir vorab eine Videoaufnahme mit weitaus besserer Klangqualität, als live per Zoom zu erreichen wäre, zu senden. Diese Unterrichtsform finde ich recht brauchbar, sodass ich sie auch nach Ende der Pandemiemaßnahmen ergänzend zum Einsatz bringen möchte.
Bei weniger versierten Schülern, mit denen ich z. B. gemeinsam Rhythmen erarbeiten möchte, empfinde ich das Online-Format als schwierig. Da habe ich etwa eine neue Schülerin, eine ziemliche Anfängerin, die aufgrund von Sehproblemen alles über die Ohren erlernt. Sie ahmt vieles von meinem Spiel nach; aber es frustriert mich, jetzt nicht mit ihr gleichzeitig spielen zu können. Es ist auch schwierig, mit Anfängern an der Handhaltung zu arbeiten, da man dafür einen guten Kamerawinkel finden muss, um das Nötige zu sehen und dann ebenfalls selbst vormachen zu können.
Mit Ensembles zu arbeiten ist online die größte Herausforderung. In den USA haben wir viele erwachsene Amateure, die in Gruppen spielen und sich hierfür Lehrer und Ratgeber engagieren. Normalerweise sucht ein Lehrer passende Stücke und stellt Fotokopien zur Verfügung, je nachdem, wer alles mitspielt, was sich oft erst unmittelbar vorher herausstellt. Nun können sich aber solche Gruppen im Moment nicht versammeln, auch wenn wir sie alle gerne einbeziehen und spielen lassen möchten. Viele von uns Lehrern haben sich mit der Anfertigung unterstützender Mehrspur-Aufnahmen oder -videos beschäftigt, bei denen immer jeweils eine Stimme fehlt. Mit solchem Material ausgerüstet, kann sich solch eine Gruppe auf Zoom verabreden, und mithilfe der Stummschaltfunktion vermag jeder seine Partie hinzuzuspielen. Aber natürlich ist das nicht mit wirklichem Ensemblespiel vergleichbar, und die Vorbereitung macht auch wesentlich mehr Arbeit als das Fotokopieren einiger Stimmen.
Wie alles andere sind auch all unsere Sommerkurse abgesagt worden. So sind wir auf der Suche nach Online-Ersatzaktivitäten, die wir natürlich auch zur Verfügung stellen müssen, um alle bei der Stange zu halten, bis es wieder normal losgehen kann. Für die Alte-Musik-Wochen in Pinewoods, wo ich in diesem Jahr als Programmdirektorin mit dabei gewesen wäre, diskutieren wir gerade ersatzweise die Option eines virtuellen Madrigalsingens sowie Anschlussmöglichkeiten an Mitspielformate. Vieles Ausgearbeitete wird in Freiwilligenarbeit der Lehrenden vorbereitet werden müssen, einfach um irgendwie die Teilnehmer bei Laune bis zum nächsten Mal zu halten.
Wie überall sind wir mit viel Ungewissheit konfrontiert und wissen nicht mal, wann sich die Dinge wieder normalisieren werden. So tun wir in der Zwischenzeit einfach unser Bestes.
Emily O’Brian (West Medford, Massachusetts/USA)

Blockflöten in der US-Pandemie

Natürlich sind auch wir von der Pandemie erschüttert. Wie bei Musikern überall auf der Welt wurde auch bei uns alles abgesagt.
Unserem Renaissance-Ensemble Renaissonics fielen für den ganzen Frühling Auftritte weg: Keine Kammermusik, keine Improvisationssessions, keine Auftritte in Schulen mehr, und ebenso wenig konnte das Renaissance-Tanzfestival durchgeführt werden. Eine einzige Aufführung konnten wir online anbieten. Auch das von mir geleitete Boston Recorder Orchestra hatte ursprünglich einen außergewöhnlich großen Auftritt mit verschiedenen Gastmusikern aus anderen Bundesstaaten geplant. Diesen und natürlich auch unsere Wohltätigkeitsveranstaltungen mussten wir absagen. Ebenso wurde nichts aus einer langersehnten Tour nach Japan und Taiwan sowie dann nach Italien, wo eigentlich auch unser alljährlicher »Corso di Flauto Dolce« in der Toskana sein sollte. Nach über 30 Jahren der erste Sommer ohne Tripp nach Europa!
Meine Frau Miyuki und ich konnten immerhin am ersten weltweiten Blockflöten-Flashmob teilnehmen – eine großartige Initiative unserer Freundin Sarah Cantor. Hier spielten 100 Blockflötenspieler aus aller Welt Händels »Lascia ch'io pianga«.
Viele meiner Privatschüler nehmen jetzt online bei mir Unterricht. Dabei lerne ich selbst eine Menge – etwa bei der Entwicklung neuer Unterrichtsmodelle und -materialien wie Etüden und Play-alongs.
Obwohl diese Umstände traurig und finanziell beunruhigend sind, habe ich erst richtig verstanden, in welch radikaler Zeitenwende wir uns befinden, als das  Konservatorium von New England geschlossen wurde. Glücklicherweise hatte meine Klasse für Renaissance-Improvisation ihre akademischen Pflichtaufgaben bereits meistenteils erfüllt, und die Studente konnten ihre Zeit mit Jammen verbringen. Da sich weitere Fortschritte eher in Live-Situationen erzielen lassen, galt es für mich, zum Ausgleich allerhand Aufsätze mit Erklärungen zu verfassen, praktische Empfehlungen schriftlich abzugeben und ihnen Begleitstimmen aufzunehmen. Einzelunterricht funktioniert für mich verhältnismäßig gut online; aber eben nicht annähernd so gut, wie wenn man sich im richtigen Leben gegenübersteht. Das Abschlusskonzert der Klasse ist normalerweise auch gleichzeitig ihre Abschlussprüfung. In diesem Jahr war ich gezwungen, anstelle eines Konzerts 60 einzelne Aufnahmen der Studenten mit Soloimprovisationen auszuwerten. Das braucht ganz schön Ausdauer!
Bei allem Unheil für so viele Leute bedeutet diese Veränderung für mich persönlich eine Art künstlerische Zwangspause. Trotz aller Onlineaktivität erlaubt das Zuhause sein auch eine größere Flexibilität im Tagesablauf. Ich habe plötzlich mehr Zeit zum Üben, müsste auch dringend mal meine Instrumente nacharbeiten lassen …
Wir haben ja Glück im Unglück: Sind einerseits ärmer, aber reich beschenkt dadurch, dass wir in einer baumreichen viktorianischen Umgebung wohnen, wo es sich gut Spazierengehen lässt. Außerdem sind wir zu zweit und noch dazu ist meine Frau eine fabelhafte Köchin.
In den Vereinigten Staaten gibt es für finanziell in Bedrängnis geratene Künstler Hilfsprogramme auf staatlicher, bundesstaatlicher und lokaler Basis; auch private Organisationen springen mit Unterstützungen ein.
Doch wie sagte Shakespeare: »Sweet are the uses of adversity« (Süß ist der Nutzen der Nöte) – und damit zum Ausdruck bringt, dass Leiden und Belastungen potenzielle Quellen von persönlichem Wachstum sein können. Lasst uns neue Träume finden im Bewusstsein, dass wir alle gemeinsam durch diese schreckliche Zeit gewandelt und umeinander besorgt gewesen sein werden. Lasst uns den Sinn für Gemeinschaft und Idealismus auch nach dieser fordernden Zeit erhalten und Musik machen mit einem neu geschärften Sinn für unsere Gemeinschaft und Mitgefühl für alle.
John Tyson (Cambridge, Massachusetts/USA)

Blockflöten-Corona-Tagebuch aus Japan

16. Januar 2020
Der erste Fall einer Infektion mit COVID-19 wird in Japan gemeldet.

19. Januar 2020
Ich gehe weiterhin zum Blockflötenunterricht, zusammen mit zehn anderen Schülern in einem Raum.

18. Februar 2020
Der Blockflötenunterricht läuft jetzt nur noch zwischen mir und meinem Lehrer – wir sind alleine in einem Raum.

27. Februar 2020
Premierminister Abe kündigt an, alle Schulen ab dem 2. März bis mindestens Frühlingsbeginn schließen zu lassen.

20. März 2020
Premierminister Abe kündigt an, alle Veranstaltungen abzusagen, zu verschieben oder auf minimale Größe zu reduzieren, zunächst für zehn Tage. Diese Aufforderung wird als die bislang folgenreichste bezeichnet.
Was uns betrifft: Unsere Blockflötenstunden und geplanten Vorspiele werden »verschoben«.

Ein typisch japanischer Slogan wird ausgegeben – die »drei Mitsu«: »Vermeidet die drei ›C‹!« »1. Closed spaces with poor ventilation (geschlossene Räume mit schlechter Belüftung), 2. Crowded places with many people nearby (überfüllte Plätze mit vielen Leuten), 3.Close-contact settings such as close-range conversations (enge Kontakt-Situationen, wie Gespräche mit nur geringer Entfernung).«

7. April 2020
Das Tokyo Metropolitan Government ruft den Notstand aus, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Die Einwohner Tokios sind angehalten, vom 7. April bis 6. Mai zu Hause zu bleiben. Die Geschäftswelt soll ihre Produktion und Meetings vom 11. April bis 6. Mai unterbrechen.
Was mich betrifft: Der Blockflötenunterricht bei meinem Lehrer Herrn Motomura wird fortan online stattfinden. Wir probieren es abwechselnd mit Zoom, FaceTime, Google Duo, Messenger und Line etc.

18. April 2020
Natürlich wird auch die Bühnenshow mit meiner Band Ullamvana «verschoben« …

02. Mai 2020
Mein Blockflötenlehrer bietet seinen Schülern exklusive Online-Chat-Lessons via YouTube an.

04. Mai 2020
Die Regierung verlängert alle landesweiten Maßnahmen bis Ende Mai.

04. Mai 2020
Im Blockflötenunterricht verwenden wir jetzt hauptsächlich Zoom. Schwierig gestaltet sich das durch die Zeitverzögerung und Rückkopplungen. Aber ich lernte schnell, mein eigenes Mikrofon stummzuschalten, wenn mein Lehrer mir vorspielte.

Kayo Shiozawa (Tokio/Japan)

Blockflöten-Challenge und Balkonkonzert

Wie so viele von uns hat auch mich die neue Unterrichtssituation wegen des Coronavirus überrollt. Was meinen Kollegen und mir dabei von Anfang an wichtig gewesen ist, war, den individuellen Kontakt zu den SchülerInnen und Eltern herzustellen und eine Lösung zu finden, wie man in dieser besonderen Zeit trotzdem möglichst effektiven und motivierenden Unterricht aus der Ferne bewerkstelligen kann. Klar war uns auch sehr schnell, dass es keine Pauschallösung gibt, die für alle gleich gut praktizierbar und zudem auch noch sinnvoll und zielführend ist.
Ich habe mir überlegt, dass in dieser für alle schwierigen Situation für mich der Motivationsaspekt eine große Rolle spielt und der Unterricht in seiner neuen Form zudem individuell und effektiv sein soll. So ist die Blockflöten-Challenge entstanden – eine spielerische Form des Unterrichts, in der man sich von Level zu Level wie bei einem Spiel hocharbeitet und am Ende sogar kleine Preise gewinnen kann.
Jede/r SchülerIn erhält dafür eine Art Arbeitsblatt mit detaillierten Aufgaben zu Stücken, die leicht unter dem jeweiligen aktuellen Niveau liegen, so dass sie für den Lernenden gut zu bewerkstelligen sind. Manches dabei ist schnell zu erledigen, anderes braucht etwas Zeit.
Die Aufgaben können einfache Analysefragen zur Form sein (z. B. gleiche und ähnliche Teile zu finden), das Setzen von sinnstiftenden Atemzeichen, für Kleinere das Zählen von bestimmten (neuen) Noten im Stück usw.. Dazu kommen Anregungsaufgaben, wie der/die SchülerIn das Stück für sich sinnvoll z. B. abschnittsweise, in unterschiedlichen Tempi und Artikulationen erarbeiten kann. Diese Anregungen sollten auf die Stärken und Schwächen des jeweiligen Lernenden zugeschnitten sein. Ergänzen kann das Ganze, gerade für die jüngeren Schüler, noch eine kleine spielerische Aufgabe wie das Basteln eines Notenmemorys (jeweils Note und Notenname müssen einander zugeordnet werden), ein Noten- und Pausenrechenspiel, ein Labyrinthspiel, in dem Flötine ihre verlorene Flöte wiederfinden muss, ein Musikwörtersalat, in dem verschiedene Fachbegriffe gefunden und erklärt werden sollen u.v.m..
Fehlen darf natürlich auch die »Anregung« zum Üben nicht, sodass an mindestens fünf Tagen je nach Niveau eine bestimmte Zeit geübt werden soll. Ist eine Aufgabe erledigt, kann man in das entsprechende Kästchen ein Kreuz oder einen Haken machen. Sind alle Aufgaben eines Levels erfüllt, kann man das in Form eines Familienkonzertes, einer mir zugeschickten Audio- oder Videodatei bzw. eines Fotos von schriftlichen Aufgaben belegen und bekommt das darauf aufbauende Level 2 usw. geschickt. Natürlich dürfen gerne Fragen per Email, Telefon, WhatsApp etc. gestellt werden. Zudem ist es auch von meiner Seite möglich, eine Audiodatei zu schicken, um ein Stück leichter erarbeiten oder auch, um eine Form des Zusammenspiels ermöglichen zu können.
Meine Schüler sind von diesem Format wirklich begeistert und legen zum großen Teil einen unglaublichen Eifer und Ehrgeiz an den Tag, den ich bei einigen von ihnen im normalen Unterrichtsalltag vermisst habe. Etliche haben in der kurzen Zeit schon drei Levels durchgearbeitet, und ich bin mit den (Hör)Ergebnissen wirklich zufrieden. Einige wenige SchülerInnen fühlen sich von den Aufgaben der allgemeinbildenden Schulen allerdings auch überfordert, sodass sie nur langsam mit der Challenge vorankommen – aber immerhin gibt es Fortschritte –, denn wirklich alle machen mit bei der Blockflöten-Challenge! Die meisten Kinder und Jugendlichen (und sogar auch Erwachsene) empfinden sie eher als spielerischen Ausgleich zum Schulprogramm und freuen sich auf das nächste Level.
Natürlich kam auch zwischendurch immer mal wieder die Idee, Online-Unterricht per Skype, Zoom, WhatsApp o. ä. zu machen – aber dieses Format finden sowohl ich als auch viele meiner SchülerInnen, die es bei Geschwistern erleben, eher anstrengend und von der Klangqualität oft unbefriedigend. Abgesehen davon kann so eine Onlineunterrichtsstunde bei Bedarf auch in die Challenge eingebaut werden und zusammen mit Übeaufgaben zum nächsten Level führen.
Die Qualität der mir zugeschickten Audio- und Videodateien ist um einiges besser als Skype und Co., sodass ich wirklich recht differenziert Atemführung, Artikulation, Phrasierung und natürlich »kreative« Rhythmen und Töne hören kann und somit im nächsten Level mit neuen Aufgaben auf diese Schwächen konkret eingehen kann.
Schwierig ist es sicher, neue Lerninhalte auf diesem Weg zu vermitteln. Das ist in kleinen Schritten teilweise möglich, wie ich es auch erfahren konnte, aber birgt die Gefahr, dass sich fehlerhafte Gewohnheiten einschleichen, die man aus der Ferne schwer korrigieren kann.
Außerdem sollten wir uns natürlich als reale LehrerInnen nicht überflüssig machen. Unsere SchülerInnen sollen doch nach dieser Zeit den Live- und In-natura-Unterricht wieder umso mehr zu schätzen wissen!
Das »Level-Lernen« kann man zudem sicher auch nach Corona als Bonbon und Motivationshilfe gut einsetzen.
Auch für die teilweise abgesagten Konzerte haben wir eine schöne Lösung gefunden. Zwei Mal in der Woche gibt es ein »Balkonkonzert« für die Nachbarschaft, die ihrerseits mit Kerzen und einem Gläschen Wein auf ihren jeweiligen Balkonen stehen oder sitzen und dem nach draußen gestellten E-Piano und den verschiedenen Blockflöten bei Telemann, Vivaldi, verschiedenen Oldies, Folk, Pop, Tango u.v.m. begeistert lauscht. Eine ergreifende Stimmung und Verbundenheit in unserer Strasse und im gegenüberliegenden Altenwohnheim ist dadurch entstanden, die uns hoffentlich über die Coronazeit hinaus erhalten bleiben wird. Unser »Honorar« besteht aus vielen leckeren Naturalien in Form von selbstgemachter Marmelade, edlem Wein, selbstgebackenen Ostergebäck und wunderschönen Frühlingsblumensträußen. So lässt es sich auch in der Coronazeit »gut« leben.
Almut Werner (Wiesloch)

Barbara Hintermeier beim Online-Unterricht

Blockflötenunterricht in Zeiten von Corona

Erst mal war’s ein Schock – ich stand mitten in meinem Musikzimmer und hatte keine Schüler mehr, VHS und Gymnasium waren geschlossen, das Seniorenstift ließ niemanden von außerhalb herein und alle Konzerte waren mit einem Schlag abgesagt.
Also einfach Ferien? Leider mit einem kleinen Haken: Ferien ohne Bezahlung!
Nachdem ich mich vom ersten Schrecken erholt hatte, war mir klar, dass ich meinen Unterricht neu organisieren musste. Zuerst erschien mir zu skypen eine gute Alternative …
Wie es sich herausstellte, war das bei meinen erwachsenen Schülern auch tatsächlich kein Problem. Wie vorher auch schon fand der Unterricht am Abend statt (da war in der Regel das Netz auch nicht so überlastet); alle freuten sich, mich wieder »live« zu sehen, und nach einigen Versuchen klappte es auch mit dem Bild. Leider ist die Tonqualität bei Blockflöten nicht so ideal; Korrekturen an der Haltung sind ebenfalls schwierig – je nachdem, wo Computer oder Tablett stehen.
Aber musikalisch und technisch können wir gut miteinander kommunizieren, so dass ein sinnvoller Unterricht möglich ist.

Was aber mit den jüngeren Schülern?

Skypen stellte sich schnell als problematisch heraus. In vielen Familien hat nicht jeder seinen eigenen Computer und der einzige vorhandene war durch Eltern im Homeoffice oder durch Online-Schulunterricht belegt.
Deshalb hatte ich folgende Idee, die sich schlussendlich auch bis heute bewährt hat:

  • Alle Schüler erhalten Einzelunterricht per Telefon, und zwar zweimal pro Woche jeweils 15 Minuten.
  • Am Abend vor dem Unterricht erhalte ich eine Datei mit der Hausaufgabe.

(Hier biete ich verschiedene Möglichkeiten an: entweder als Audiodatei oder als Videodatei auf Computer oder Handy.)

  • Die Datei höre ich mir vor dem Unterricht an, sodass wir dann nur korrigieren müssen (und dadurch Zeit sparen).
  • Neue Stücke lernen wir durch vor– und nachspielen.

Vorteile dieser Methode:

  • Die Schüler müssen mindestens viermal pro Woche spielen.
  • Alleine dadurch, dass die Eltern die Videos (oder Tondateien) aufnehmen, will kein Schüler schlecht spielen.
  • Ich selbst kann schneller als sonst entstehende Fehler korrigieren.
  • Die Schüler hören besser zu, da sie optisch nicht abgelenkt sind.
  • Die auditiven Fähigkeiten werden geschult.
  • Die Schüler lernen zuzuhören.

Nachteile dieser Methode:

  • Schlechte Tonqualität
  • Korrektur an Haltung und Fingern fast unmöglich
  • Kein gemeinsames Spielen möglich

Da Vorspiele komplett fehlen, die ein wichtiger Bestandteil meines Unterrichts sind, habe ich versucht andere Anreize zu finden: Zu Ostern organisierte ich Hauskonzerte, die jeder Schüler zuhause veranstaltete. Auf ein großes Osterei wurde das Programm geschrieben, und Großeltern wurden, soweit möglich, per Skype dazugeschaltet, Eltern zu viel Applaus animiert. Ein großer Erfolg!
Jetzt gibt es gerade ein Muttertagsherz mit einem kleinen Ständchen für Mama, ich habe fleißig für Anfänger leichteste Stücke für Flöte und Klavier komponiert – ein Schüler spielt sogar alleine ein zweistimmiges Stück für Altflöte und Sopranflöte, aber das darf natürlich noch nicht verraten werden.
Ein besonderes Problem stellt sich durch eine Schülerin, die dieses Jahr Abitur macht und Blockflöte als Additum* belegt hat. Online–Unterricht ist für sowas nicht geeignet. Seit zwei Wochen darf ich sie nun in ihrer Schule unter strengsten Auflagen unterrichten – mit viel Abstand und offenen Fenstern und Türen. Endlich ein Mensch, der mir gegenüber steht! So hoffe ich, sie doch noch gut durchs Abitur zu bringen. Ich habe ja jetzt Zeit, die ausgefallenen Stunden nachzuholen!

Fazit 1

Der persönliche Kontakt (außer bei meiner Abiturientin) fehlt, gemeinsam spielen (Duette, Klavierbegleitung) ist unmöglich – Skype und Telefon sind ein durch die Situation erzwungener Ersatz, den man leider so hinnehmen muss – jedenfalls ist es besser als nichts.

Und meine Senioren?

Das Seniorenheim, in dem ich seit Jahren unterrichte, hat komplett geschlossen und es dadurch tatsächlich geschafft, keinen Coronafall im Hause zu haben. Deshalb ist es für mich auch unmöglich dort zu unterrichten.
Gleich vorweg: Meine Seniorenschüler fehlen mir von allen am meisten. Aber wie Kontakt halten? Keiner von ihnen skypt, nur eine hat WhatsApp – digital besteht also keine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. So starte ich also etwa alle zwei Wochen eine Telefonaktion, bei der ich alle, ganz traditionell, auf dem Festnetz anrufe. Dann gehe ich gezielt auf die Wünsche der einzelnen Spielerinnen und Spieler ein: Vom Brandenburgischem Konzert in »Leichtversion« über »Ein Veilchen auf der Wiese stand« bis zu Duetten mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad der beiden Stimmen für ein flötendes Ehepaar versuche ich alles möglich zu machen. Schon allein mein Anruf bewirkt bei vielen, dass sie die Flöte in die Hand nehmen und spielen und somit nicht alles vergessen.

Fazit 2

Gemeinsames Spielen ist unmöglich und fehlt uns allen. Die Telefonate halten die Verbindung aufrecht und motivieren zum Spielen. Die Post freut sich über zahlreiche Notensendungen. Noch sind alle dabei!

Mein Ensemble 30+

Wir spielen einfach nicht. Kontakt halten wir über eine WhatsApp-Gruppe, in der wir uns immer wieder mitteilen, was wir so unternehmen und wie wir mit der momentanen Situation umgehen. Wahrscheinlich mein erstes Ensemble, das wieder startet. Wir freuen uns schon!

Mein Spielkreis für alte Musik an der VHS Gröbenzell

Hier wird’s richtig schwierig. Die meisten meiner Mitglieder sind schon in etwas fortgeschrittenerem Alter, gehören also der Risikogruppe an. Deshalb habe ich sofort einen neuen Raum beantragt, ein nicht zu lüftender niedriger Kellerraum ohne Fenster ist als Unterrichtsort unmöglich. Die VHS ist auf der Suche und unterstützt mich sehr gut dabei. Auch hier kann ich den Kontakt nur telefonisch halten. In regelmäßigen Abständen schicke ich neue Literatur, bei der jeder seine Einzelstimme üben kann. So brauchen wir sie in der ersten Probe »nur« noch zusammensetzen und jetzt hat jeder etwas Sinnvolles zu tun. Auch hier sind noch alle dabei!

Bläserklasse

So bleibt noch die Schule, an der ich in der Bläserklasse unterrichte. Schon Jahre vor Corona hat sich die Direktion um ein verbreitertes Onlineangebot gekümmert, auf das wir jetzt zurückgreifen konnten. Von Anfang an fand der Unterricht wie gewohnt statt, wir skypen über die schulinterne Seite, es funktioniert wunderbar. Das gemeinsame Spiel in der ganzen Klasse ist allerdings leider nicht möglich.

Wie geht es mir dabei?

Augenscheinlich funktioniert alles, alle Schüler sind noch dabei, einige sogar intensiver als sonst.
Von Eltern erhalte ich Post, dass sie froh sind, wie alles trotzdem läuft – ein bisschen »Normalität«.
Aber mir fehlen meine Schüler, meine Ensembles, meine Senioren. Die persönlichen Kontakte, das gemeinsame Spiel, die Konzerte, die Kollegen. Kein Telefon, kein Computer kann mir das ersetzen. Auch wenn mir völlig klar ist, wie gefährlich das Virus ist und dass man andere und sich schützen muss – ich leide darunter, dass mir Corona dies alles entzogen hat.
Ich will meine Schüler zurück!

Barbara Hintermeier (München)

* Zusätzliche Unterrichtsstunden, um die fachpraktischen Grundlagen für die Abiturprüfung zu legen, verpflichtend in Bayern bei der Wahl von Musik als schriftliches Prüfungsfach.

Musikunterricht und Corona

Das Büro zu betreten – nur mehr im Storchenschritt möglich. Ordner, Blockflöten und Klavierschulen, Literatur, Arbeitsblätter, Früherziehungsmaterial liegen aufgestapelt auf dem Boden, der Schreibtisch belegt mit Schülerlisten, alten und ab April neuen Stundenplanaufzeichnungen und eine sich täglich zunehmend füllende und auf Wochen nicht mehr abbaubare To-do Liste. Was zunächst als 5-Wochenregelung und sich nun als ins Ungewisse gesteigerte Übergangsregelung veranschlagt war, steigert sich jetzt zu einem Dauerzustand, der zunehmend in existentielle Sorgen mündet.
Ideen zur Überbrückung des bislang persönlich gehaltenen Unterrichts habe ich zahlreiche. Klar, »Mediales Unterrichten« heißt das Zauberwort; schließlich habe ich jahrelange Fortbildungen durchlaufen, die mir auch derartige Skills vermittelt haben. Und außerdem plane ich stetige E-Mail-Sendungen in Form eines Schülerjournals, genannt »Corona-Versorgungs-E-Mail«. Hier werden allgemeine Infos verpackt, in Anhängen Arbeits-, Anregungsblätter, geeignetes Notenmaterial (Achtung Kopierschutz!), Links zu Vergleichsaufnahmen verschiedener Interpreten angehängt, Fotos aus dem Unterricht, ein Quiz mit Gewinnoption und schließlich jeweils ein Gesundheitstipp mit Rezept aufgeführt. Dankenswerterweise habe ich die Erlaubnis der Musikschule Bremen erhalten, ihren »Corona-Link« mitzubenutzen.
Für jede Altersgruppe und alle Schüler meiner Ein-Frau-Musikschule soll ja etwas dabei sein. Schließlich bediene ich Menschen im gesamten Altersspektrum von 0 Jahren bis ins hohe Alter.
Und natürlich soll dieses Journal auch ansprechend »rüberkommen«. Also: ein Layout muss her.
Was rät man einer Non-native-PC-affinen selbstständigen Musiklehrkraft, die deutlich über andere Qualifikationen und Fähigkeiten verfügt als »Computering«: Nimm Dir eine Fachkraft. Gut, der Techniker ist bereits beauftragt, nötige PC-, Handy- und Installationsarbeiten und Funktionen zu überprüfen und vorzunehmen. Ich brauche für das Layout einen entsprechenden Schreibdienst in der Nähe, die Suche beginnt, … keiner verfügbar, wegen Corona geschlossen. Weitere Aufträge oder leistungsfähigere Geräte kann ich mir nicht leisten, denn die Stunden an der Schule und Projekte im Kindergarten fallen weg, Ensembles gestrichen, Unterricht der »Risikogruppe« geknickt – sie möchten warten, bis sich die Lage beruhigt hat; das Honorar ist auf die Hälfte geschrumpft. Stichwort an dieser Stelle: »Soforthilfe für Selbstständige und Solounternehmer«: Toll, dass an uns »Kleine« gedacht wird. Also Antrag heruntergeladen, in einer ruhigen Zeit, die ich vergeblich suche, will ich ihn ausfüllen. Das kommende Wochenende muss dran glauben. Was als unbürokratische Prozedur angepriesen und erwartet worden war, entpuppt sich als dreitägige »Fieselarbeit«, die immer wieder überprüft und korrigiert werden muss. Dazu ein Formular, das den ganzen PC blockiert und zum finalen Schritt ein Desaster: Nicht nur der Antrag erscheint auf dem Display als hochgeladen; nein, mein gesamter Musikschulordner mit über 2500 Dateien, die niemanden etwas angehen. Voller Verzweiflung rufe ich einen Freund zu Hilfe. Mundschutz und Desinfektionsmittel bereitgestellt, Tastatur des PC desinfiziert, auf Abstand geachtet, keine Umarmung zur Begrüßung. Die Bestätigung des Freundes: Alles richtig gemacht, es kommt nur die Antragsdatei an. Wer bitteschön weiß so etwas?
Next Step: Unterricht per Telefonat, Google-Duo. WhatsApp, Skype, Zoom, teilweise auch kombiniert, weil wieder einmal die Technik streikt. Neue Idee für meine Früherziehungskinder: ein Video drehen. Also das frühere Teenagerzimmer der Tochter und mittlerweile als medialen Unterrichtsraum genutzte zusätzliche Büro zum Drehort ansprechend und zeitgemäß österlich gestaltet. Vorbereitung, den besten Ehegatten der Welt instruiert; and Go: Aufnahme läuft. Inniger Dank an die übergeordnete Macht, oder wie immer sie benannt wird; nicht jedem ist solch ein Ausweichraum und ein geduldiger Partner beschert … Wieder technische Probleme beim Hochladen, Link verschicken, One Drive – passt, Dropbox »spackt«. Erneut stundenlange Arbeit, probieren am PC, bis es endlich klappt. Wunderbar, nächste Woche neues Video: Das böse Erwachen: Nichts geht mehr, vier Tage stundenlanges ausprobieren am PC, bis ein lieber Freund die Fehlerquelle aufdeckt und die Sache in die Hand nimmt.
Neue Idee: Dann eben die Stunde über Zoom – also Eltern angeschrieben mit der Bitte Zoom zu installieren. Am Abend die Warnung im Internet: Zoom weist zu viele Sicherungslücken auf, diese Plattform sollte gemieden werden. OmG, ich kriege langsam die Krise – nein, stimmt nicht, ich hatte sie bereits mehrmals in jeder Coronawoche. Sie war ausschließlich auf technische Probleme bezogen, die mich stunden- und tagelang beschäftigt und gestresst haben.
Der mediale Unterricht wurde von Schüler-und Elternseite gut angenommen. Aus eigenem Antrieb bildeten die Eltern Mediengruppen, die mir die Arbeit erleichtern. Sie verständigten sich untereinander, haben großartig ihre Kinder unterstützt, die pünktlich und abrufbereit am Notenständer mit allem Unterrichtsmaterial auf mich warteten. Meine Jugendlichen haben sich über die virtuellen Begegnungen und das Wiedersehen gefreut. Ich konnte sie immer mal in eine Übephase entlassen, während ich mit einem Schüler aus der Gruppe gearbeitet habe; die Kids konnten selbstständig an ihren Aufgaben arbeiten und sich danach wieder zuschalten. Weitere Pluspunkte zeichnen den medialen Unterricht aus: Der Kontakt zu den Eltern; einige Worte miteinander gewechselt fördert den Infoaustausch, integriert die Unterstützung durch die Eltern und pflegt die Beziehung zu den Familien. Bisweilen sitzt die gesamte Familie am Bildschirm und nimmt an den Skype-Terminen teil. Für die Nach-Corona-Zeit wäre eine gelegentliche mediale Unterrichtsstunde durchaus eine sinnvolle Option.
Meine Gefühle schwanken derzeit: Freude, mit vielen Schülern auf unterschiedlichen medialen Wegen konstruktiven und zielführenden Unterricht gestalten zu können, die Offenheit und positive Spannung meiner jüngeren Schüler, die »ihr« Telefonat, »ihre« Sitzung gespannt erwarten, zu erleben und die intensiveren mir wichtigen Elternkontakte.
Meine Gefühle reichen bis zur Verzweiflung hinsichtlich der technischen Aufgaben und »Herausforderungen«, die etwa Dreiviertel meiner ohnehin ausgedehnteren Arbeitszeit beanspruchen und unsagbar Kraft und Nerven kosten.
Meine Gefühle spiegeln  Dankbarkeit wider, über Möglichkeiten zu verfügen, die anderen nicht gegeben sind.
Meine Gefühle dehnen sich in existenzielle Sorgen aus, dass ich meine vor 25 Jahre gegründete Musikschule, in der Liebe und Herzblut, immense Arbeit und Engagement stecken, nicht mehr halten kann und meinen geliebten Beruf verliere.
Gisela Wassermann (Ravensburg)

Blockflöten-Quarantäne in Slowenien

Liebe Blockflötenbegeisterte,
Ich heiße Urška Cvetko, spiele Blockflöte und unterrichte in Ljubljana/Slowenien. Ich bin dem Instrumentbereits mit vier Jahren verfallen und hegte schon früh den Wunsch, einmal zu unterrichten und mein Wissen weiterzugeben. Dieses Privileg macht mich froh und ich liebe meinen Beruf.
Wie auch immer, während der vergangenen Monate wurde mein Leben auf den Kopf gestellt; Slowenien kämpft wie alle Welt mit den COVID-19-Folgen. Auch wir befinden uns im Lockdown und in Quarantäne, unsere Kindergärten und Schulen sind geschlossen, sodass sich das Unterrichten völlig anders gestaltet.
Ich lehre an der Waldorf-Musikschule in Ljubljana, wo wir uns mit der neuen Situation recht innovativ auseinandergesetzt haben. Zu den am meisten vermissten Veranstaltungen an unserer Musikschule zählen die monatlichen Konzerte. Da wir nicht völlig klein beigeben wollten, baten wir die Schüler, ihre Darbietungen selbst filmisch aufzunehmen. Daraus gestalteten wir dann eine Filmkollage und teilten sie mit Eltern und Freunden auf YouTube. Eine weitere daraus geborene Novität ist eine Art Familienkonzert: das familiäre Aufeinanderhocken in eine »positive« Folge des Lockdowns verwandelt man, indem die ganze Sippe der Schüler aufgefordert wird, gemeinsam zu musizieren und sich dabei zu filmen. Manche Familien entwickelten dabei tatsächlich so viel Spaß, dass sie uns gleich mehrere Aufnahmen zuschickten. Unsere wöchentliche Lehrerkonferenz geht dann übrigens über Zoom vonstatten.
Dann ist da der Eins-zu-Eins-Unterricht – unter normalen Umständen sind das die persönlichsten und interessantesten Momente meines Berufs und können das sogar jetzt noch sein.
Wie ich für mich herausgefunden habe, gibt es da einige sinnvolle Voraussetzungen:
a) Bereite Schüler wie Eltern darauf vor, was sie online erwartet. Ausschlaggebend ist, dass die Schüler einen hierfür bestimmten Platz zum Üben und den Online-Unterricht haben, einem festgelegten Zeitplan folgen (wir übernahmen den vormaligen Schulplan, sodass möglichst wenig Orientierungsschwierigkeiten aufkamen) und, wenn das alles realisierbar war, sollten alle anderen Familienmitglieder zur Unterrichtszeit auf die eigene Nutzung des Internets verzichten, um die Internet-Verbindungsqualität nicht zu beeinträchtigen.
b) Erläutere die neuen Richtlinien genau und erinnere dabei an Gewohntes: Irgendwie zeigt meine Erfahrung, dass dadurch der Übergang zu neuen Online-Verfahren weniger stressig ausfällt. Hilfreiche neue Aspekte sind der regelmäßige Gebrauch des Metronoms (hilfreich bei der allgegenwärtigen Zeitverzögerung im Internet, damit der Lehrer auseinanderhalten kann, ob Unregelmäßigkeiten einer schwachen Übertragungsqualität oder rhythmischem Unvermögen geschuldet sind. Bewährt haben sich auch Hör-Hausaufgaben – gerade da uns die Technik verbindet, nutzen wir deren Vorteile und lassen Schüler vieles anhören, was sie lernen und spielen sollen. Lasse sie selbst eine Aufnahme aus dem Internet finden, die ihnen gefällt und sie dir vorstellen. Achte darauf dir erklären zu lassen, weshalb sie diese Aufnahme oder auch eine bestimme Stelle einer Aufnahme ausgesucht haben; hört das zusammen an und nutze dabei die Möglichkeit, ein wenig zu kommentieren und zu analysieren.
c) Schaffe gute Stimmung und verändere die Atmosphäre: Ich pflege meine Stunden mit einem kurzen Schwatz zu beginnen und dabei darauf zu achten, wie der Schüler so drauf ist. Das geht schon ein paar Minuten – macht aber den entscheidenden Unterschied. Es geht um Empathie, Wertschätzung des Gegenübers, das Gespräch; das lässt uns besser in die Musikausübung einsteigen. Wähle eine schon bekannte Aufwärmübung – das hilft, Gedanken hinter sich zu lassen und sich mit dem Instrument und mit sich selbst verbinden. Zunächst etwas Langsames und Komfortables spielen lassen (wir beginnen mit langen Noten im Umfang dreier Register). Das bewährt sich fürs Eintauchen in den Unterricht, um die tägliche Routine zurückzulassen. Führe sie sanft durch den Vorgang – mit dem Fokus auf tiefe, ruhige Atemzüge und einen vollen Ton. Dies alles richtig gemacht lässt schnell vergessen, dass man sich eigentlich zu Hause aufhält und einen nur dieses bisschen an Elektrizität verbindet.
Unglücklicherweise ist das Internet kein Ersatz fürs reale Leben und persönliche Kontakte, weshalb der Onlineunterricht nicht für alle Inhalte geeignet ist. In meinem Fall hatte ich echte Mühe mit der Consort-Thematik bzw. dem Ensemblespiel. Nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Verbindungsqualität und der Natur von Videokonferenzen ist da diese ungleiche Zeitverzögerung im Spiel, die alles Synchrone unmöglich macht. Aufgrund dessen wurden unsere Consortstunden bis auf weiteres ausgesetzt; an deren Stelle findet für Daheim eine Aufgabenverteilung statt: Erlernen der eigenen Partien sowie Abhören des Materials, bis alles in Fleisch und Blut übergeht. Dies vergrößert das Verständnis von der eigenen Rolle im Stück, schafft Ideen zum eigenen Agieren und über die Beiträge der anderen. Dadurch werden dann beim physischen Wiedersehen die Überraschungseffekte minimiert und Fortschritte werden sich rascher einstellen.
Die aktuelle Situation hat uns alle herausgefordert, uns andersartiges Denken und Handeln beim Unterrichten aufgezwungen. Aber ich bin froh berichten zu können, dass es mir und meinen Kollegen gelungen ist, die Kinder im Kontakt mit der Musik zu halten, ihnen bei weiterem Fortschritt behilflich sein zu können sowie neue Wege und Praktiken der Zusammenarbeit gefunden zu haben, die bestimmt noch einige Jahre nützlich sein werden.
Urška Cvetko (Ljubljana/Slowenien)

Bei einem am 25. April 2020 fürs Tschechische Fernsehen produzierten Mitschnitt eines Benefizkonzerts ohne Zuschauer spielte das Collegium 1704 in der Tschechischen Philharmonie in Prag Bachs Brandenburgische Konzert Nr. 4 BWV 1049 mit Masken.

Blockflöten, Internet, Masken

Zur Corona-Situation in Tschechien

In Tschechien wurden bereits zwei Wochen nach den ersten Infektionsfällen im Land strikte Maßnahmen ergriffen: Die Schulen wurden geschlossen, Maskenpflicht, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, sodass ich plötzlich von meinen Schülern isoliert war.
Obwohl ich unter normalen Umständen niemals auf die Idee gekommen wäre Online-Unterricht zu geben, entschloss ich mich umgehend dafür, um meinen Schülern etwas Regelmäßiges zugutekommen zu lassen. Bald wurde uns allen klar, dass wir davon gemeinsam profitieren sollten.
So beobachte ich, wie einige meiner Schüler jetzt anders und sogar besser vorankommen als früher. Nicht nur, dass sie jetzt mehr Zeit mit ihrem Instrument verbringen und sich froh über jede Unterhaltung in ihrer Isolation zeigen. Irgendwie scheint ihnen das Ganze ein neues Gefühl über die Musik in ihrem Leben zu verschaffen. Einige verdoppelten sogar ihre wöchentlichen Unterrichtsstunden.
Die Qualität der Internetverbindung ist recht schwankend: Manchmal setzt einfach der Ton aus. Zwecks Soundverbesserung bei Skype oder Messenger ließ ich schon einmal Schüler ihre Position im Raum verändern – einige wanderten beim Spielen ans andere Zimmerende. Der Blockflötenklang blieb dabei in etwa sogar gleich laut, nur für gesprochene Kommentare mussten sie dann zurück zum Mikrofon gehen. Dieses Hin und Her ist im Prinzip ein wenig extra Bewegungstraining in Zeiten, wo man zwangsläufig wenig mobil ist; manchmal baue ich sogar noch zusätzliche Dehnungsübungen mit ein. Früher habe ich so etwas eher selten gemacht. Wir helfen uns auch mit Singen anstelle des Spielens, weil damit manche Nuance im Ausdruck leichter vermittelt werden kann. Es ist schon toll, wie Singen gerade beim Erlernen neuer Stücke hilfreich sein kann.
Für einen guten Eindruck nehme ich meinen Schülern manchmal das neue Stück in guter Klangqualität zunächst einmal selbst auf. Das Gleich gilt für Übungsstücke, wo es um die Wiederholung technischer Details geht. Oder ich sende ihnen die von mir aufgenommene Begleitung. Hin und wieder nehme ich Melodie und Begleitung in mehreren Versionen auf, sodass die Schüler einen Vergleich haben bei verschiedenen Schwerpunkten – etwa, wenn ich eine bestimmte Artikulation herausarbeiten möchte. Leider funktioniert gleichzeitiges Spielen nicht übers Internet. Ich bevorzuge die Unmittelbarkeit, den persönlichen Kontakt, Gegenseitiges aufeinander Reagieren – das Duettieren ist für Schüler so bereichernd in ihrem Leben. Diese technische Notlösung bringt aber auch mit sich, da man sich nicht leibhaftig begegnet, dass manche lernen besser zuzuhören. Schüler lernen so, sich mehr auf sich selbst zu verlassen. Oft müssen wir ja z. B. für eine verbesserte Tonqualität die Videoübertragung ausschalten. Und wenn ich ihnen sagen muss, ich würde aufgrund der technischen Einschränkung manches Detail nicht hören, fordere ich sie damit auf, selbst genauer auf sich zu achten und zu beurteilen, was sie da machen. Bei den Kleineren ist jetzt manchmal ein Elternteil hilfreich unterstützend mit dabei; dieses Beisammensein animiert manche sogar selbst wieder zum Musikmachen.
Die meisten meiner Schüler bevorzugen den Unterricht über das Internet. Überraschenderweise kommen sogar neue Schüler hinzu – diese Neulinge höre ich also ausschließlich übers Internet. Eine Dame, die in ihrer Kindheit das letzte Mal Unterricht und noch nie etwas auswendig zu spielen probiert hatte, intonierte bei unserer ersten Begegnung ihre Lieblingsvolkslieder auf dem Instrument und entdeckte so ihre neuen Fähigkeiten. Man braucht also auch damit nicht auf andere Zeiten zu warten …
Die tschechische Regierung unterstützt Bürger, deren Berufsausübung durch die Krisensituation beeinträchtigt wurde. Dazu gehören glücklicherweise auch Musiklehrer und Künstler. An staatlichen Musikschulen beschäftigte Lehrer bekommen weiterhin ihren gesamten Lohn, und die Entscheidung für den Fernunterricht wurde den jeweiligen Musikschulleitungen überlassen. Bald wird dieser Zustand der Vergangenheit angehören: Die Einschränkungen werden bei uns bereits schrittweise zurückgenommen, und ab dem 11. Mai kann der Individualunterricht ohne Maskenzwang bei einer Entfernung von zwei Metern und mit einigen Desinfektionsmaßnahmen wieder anlaufen.
Iva Lokajíčková (Prag/Tschechien)

Die Blockflötisten Jakub Kydlíček und Julie Braná mit Atemschutzmaskentest

In Tschechien sorgt ein Präventionsset, bestehend aus Atemschutzmaske mit Reißverschluss und einem Überzieher fürs Schallloch für Aufregung: Es soll laut Verordnung Spieler auf Blasinstrumenten und deren Umgebung vor der Übertragung von Coronaviren schützen. Aber sind diese Vorkehrungen wirklich sinnvoll? Die Blockflötisten Jakub Kydlíček und Julie Braná haben Kommentare zu diesem Thema verfasst. Sie finden es völlig unrealistisch, viele Stunden so verschleiert ein Instrument zu spielen. Die Reißverschlussmaske habe eher eine formale oder symbolische Funktion. Sie betrachten das Präventionsset als nicht geeignete Schutzmaßnahme für den Kontaktunterricht.

Coronoia

»Mamaaaaa, gehört 360 zur 30er-Reihe???«

Hiermit sind sie wieder vorüber, die wenigen kostbaren Minuten, um sich in Ruhe an den Laptop zu setzen und ein paar mehr oder weniger zusammenhängende Gedanken zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf das eigene (Musikerinnen-)Dasein zu formulieren. Also neuer Versuch – gleichzeitig Mathe-Aufgaben mitdenken, gelegentlich »Ja!«, »Nein!« oder »Rechne das nochmal genau nach!« sagen und sich trotzdem dem Corona-Thema widmen … oder eigentlich schon mittendrin sein. »Und 250?« Vorherige Frage verpasst – sind wir inzwischen bei der 50er-Reihe angekommen? Diplomatisch antworten, Zeit gewinnen. »Wie könntest du das am einfachsten ausrechnen?« »Aber es ist sowieso nur noch die 60er-Reihe übrig. Ich glaube, da stimmt irgendwas nicht.« Ganz toll, also alles nochmal von vorne.
Wie man sieht, funktioniert es problemlos – die Kombination von Homeoffice und Homeschooling ist die optimale Lösung, um konzentriert, effektiv und zeitoptimiert verschiedene Arbeits- und Lebensbereiche zu verbinden. Wenn der Tag dann auch noch so perfekt startet wie der heutige – mit einer Videokonferenz mit 21 SchülerInnen, die durch wechselnde Probleme auf Audio- oder Videokanal zu einer aparten Mischung aus Hörspiel und Stummfilm mutierte und schließlich vorzeitig entnervt beendet wurde –, dann ist man in hohem Maße motiviert, sich einen weiteren Tag den Herausforderungen des neuen Alltags zu stellen. Die Aussicht auf einen Nachmittag Online-Instrumental-Unterricht wirkt geradezu beflügelnd und verleitet beinahe dazu, die Lösungen der Matheaufgaben einfach zu diktieren, um sich voll und ganz der Unterrichtsvorbereitung widmen zu können. »Oder kann eine Zahl auch zu mehreren Reihen passen?« Die Komplexität der Aufgabe überfordert mich – wahrscheinlich hätte ich doch genauer zuhören oder sie mir durchlesen müssen. Multitasking-Versuch ein weiteres Mal gescheitert. Fortsetzung folgt später.
Aus »später« wurde »einen Tag später«: 1. Mai, ein seltsam ruhiger Tag der Arbeit, ohne Großveranstaltungen in der realen Welt, dafür mit umso mehr Aktionen im Internet. Hilflose Versuche, Aktivität zu beweisen, Farbe zu bekennen, sich zu solidarisieren. In den letzten Wochen haben wir viele Facetten davon erleben dürfen – Konzerte gestreamt aus dem Wohnzimmer, Gottesdienste gesendet aus leeren Kirchen, Online-Yoga-Kurs, Schulunterricht per Videokonferenz … Die virtuelle Welt verwandelt unser Zuhause in einen Ort der unbegrenzten Möglichkeiten; man ist überall, ohne sich selbst vom Fleck bewegen zu müssen.
Aber sind diese vielfältigen Angebote tatsächlich ein auch nur annähernd adäquater Ersatz? Und wenn ja – wäre das für uns alle nicht eine erschreckende Erkenntnis, die längerfristig dazu führt, dass wir uns selbst oder unsere Arbeit überflüssig machen? So wie Roboter in vielen Bereichen Tätigkeiten hundertprozentig präzise und in absolut gleichbleibender Qualität verrichten können, so hängt ein technisch maximal aufwändig aufbereiteter Podcast die Messlatte auf eine Höhe, die ein Live-Vortrag in mancherlei Hinsicht nicht erreichen kann.
Und doch fehlt etwas ganz Essentielles – ein Stück weit bleibt die Energie stecken, sie überträgt sich nicht, auch nicht beim überdimensionierten Bildschirm in HD-Qualität in Kombination mit der optimalen Soundanlage. Ganz zu schweigen vom Gemeinschaftsgefühl, das sich bei einer »Watch-Party« auch mit dem abstrakten Wissen, dass viele Menschen auf der ganzen Welt in diesem Moment auch online sind und demselben Ereignis beiwohnen, nicht wirklich einzustellen vermag. Es ist und bleibt doch ähnlich wie ein Film, bei dem man die Handlung nachvollzieht und nachempfindet, mal mehr oder weniger, jedoch immer in dem Bewusstsein, dass es nicht die eigene Realität ist, die man gerade in Übergröße und Überlänge vor Augen hat.
Durch die Beschränktheit des realen Radius auf die eigenen vier bis zwanzig Wände scheint das Bedürfnis zu entstehen, den virtuellen Radius ins Unermessliche zu erweitern. Diese Tendenz ist nichts Neues in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung, die hier nicht pauschal verdammt werden sollen, jedoch ist sie mir momentan zu präsent und beeinflusst mein Leben in einem Maße, wie ich es für mich selbst nicht wollen würde – wenn ich eine Wahl hätte.
Die Wahl hat allerdings leider zur Zeit niemand von uns; es sei denn, man hat für solch einen Fall, in dem musikalische Arbeit in fast all ihren Ausprägungen auf »normale«, altmodisch analoge Weise nicht möglich zu sein scheint, eine eiserne Reserve aufgebaut … Dann könnte man diesem Zustand der musikalischen Isolation durchaus etwas Positives abgewinnen. Statt einen Großteil der Zeit mit digitaler Kommunikation – natürlich streng aufgeteilt in datenschutzkonforme Kanäle für dienstliche Kommunikation und Schülereltern und die sonstigen Plattformen für die übrige Kommunikation – zu verbringen und beim Online-Unterricht gegen diverse Störfaktoren anzukämpfen, wäre dies der ideale Zeitpunkt, um die »Bibliothek der ungespielten Stücke« zu durchforsten, deren Notenausgaben schon seit Jahren oder Jahrzehnten darauf warten, endlich zum Klingen gebracht zu werden. Man könnte neue Konzertprogrammkonzepte entwerfen – Aufführungstermin noch ungewiss –, Stücke arrangieren, Noten sortieren, sogar eine CD-Aufnahme machen … natürlich mit höchstens fünf beteiligten Personen und unter Wahrung der magischen 1,5-Meter-Grenze! Das wäre die Luxusvariante in Corona-Zeiten – fast ein bisschen wie in der guten alten Studienzeit: eine intensive Phase der musikalischen Selbstreflexion und Selbstverwirklichung.
Aber natürlich war niemand auf eine solche Situation eingestellt und dafür abgesichert. Vielleicht hat man irgendwann mal zumindest theoretisch darüber nachgedacht, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung eine sinnvolle Investition wäre für den (hoffentlich nie eintretenden) Fall der Fälle, und auch für sonstigen Katastrophenwahrscheinlichkeiten könnte man zumindest versucht haben vorzubeugen. Aber eine Pandemie-Versicherung gab und gibt es leider nicht – dieses albtraumhafte Szenario kannte man bisher nur aus Science-Fiction-Filmen, in welchen es in so zugespitzter, apokalyptischer und Special-effect-lastiger Art und Weise präsentiert wird, dass man es zwar Seite an Seite mit den Protagonisten mit der angemessenen Portion Empathie durchleidet, es jedoch innerlich zugleich als in der realen Welt nicht existent einordnet. Bisher.
Jetzt laufen wir alle – wenn wir es denn wagen, uns nach draußen zu begeben – durch eine Welt, in der man buchstäblich einen Bogen um seine Mitmenschen macht, in der man sich selbst schon einer illegalen Handlung bezichtigt, wenn man mit einer Freundin, die man wirklich zufällig auf der Straße getroffen hat, ein kurzes Gespräch führt. Die natürliche »Aufeinander-zu-Bewegung«, die sich bei vertrauten Menschen im Normalfall automatisch ergibt in Form von Händeschütteln oder Umarmung, ist mutiert zum gesellschaftlichen »No-Go«, gekrönt noch von den Schutzmasken, die einen Einkauf im Supermarkt gefühlsmäßig in eine Mission in einem lebensbedrohlichen Gebiet verwandeln. Die Unsicherheit ist den Menschen vom Gesicht abzulesen – zumindest von dem noch erkennbar gebliebenen Teil hinter der Maske. Es macht sich eine Atmosphäre der Lähmung und Angst breit, aus der heraus die Menschen hinnehmen, dass in den letzten Wochen u. a. stillschweigend mehr und mehr ihre demokratischen Grundrechte unterwandert wurden – ein Vorgang, der sich niemals in dieser Art und Weise hätte vollziehen können ohne diese Schockstarre, in der die Mehrheit verharrt und einfach nur hofft, dass dieser Zustand vorübergehen möge. Die große Schwierigkeit ist hierbei, dass man sich in dieser Warteschleife auch noch in Geduld üben muss – man hangelt sich von einer Entscheidungsfrist zur nächsten, hofft auf die neuen Beschlüsse aus diversen Besprechungen der politischen Führungsriege, um dann wieder auf den nächsten Besprechungstermin vertröstet zu werden. Unser gewohntes Leben, welches geprägt ist von Terminen und Planungen aller Art, wird plötzlich in einer Weise unkalkulierbar und fremdbestimmt, wie wir es uns nie hätten träumen lassen. Es ist, als hätte jemand einfach in den Standby-Modus geschaltet – und zwar überall auf der Welt. Aber wie genau soll die Rückkehr in den Betriebs-Modus stattfinden, und vor allen Dingen: wann?
Dazu dann die vieldiskutierte Frage, welche Berufsgruppen denn „systemrelevant“ sind. Das eröffnet natürlich bei Musikern und Kunstschaffenden aller Sparten sofort die Grundsatzdiskussion über Sinn und Zweck des eigenen Tuns. Die Frage stellen wir alle uns nicht zum ersten Mal, aber noch nie war sie in so unerbittlicher Weise relevant für die eigene Existenz und verknüpft mit dem Kampf darum, bei den Entscheidungsträgern auf allen Ebenen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie die künstlerische Arbeit vieler Individuen um uns herum unsere Gesellschaft prägt, stärkt, bereichert und weiterentwickelt. Das sollte eigentlich überhaupt nicht zur Diskussion stehen und tut es auch nicht in dem Moment, wo der Kulturbetrieb als Teil des gesellschaftlichen Lebens selbstverständlich und quasi beiläufig kontinuierlich konsumiert wird. Geht es jedoch um eine angemessene, schnelle und möglichst unbürokratische finanzielle Unterstützung von Künstlern, deren Existenzen durch den Kultur-Lockdown auf dem Spiel stehen, so entsteht leider eine gewisse Schieflage, da sich die vielfach geäußerte verbale Wertschätzung nicht materialisieren zu können scheint. Ein Lichtblick ist hierbei die Solidarität der Kulturschaffenden untereinander – und das ist sicherlich eine sehr bewegende Erfahrung und Erkenntnis, wenn man versuchen möchte, diesem Ausnahmezustand etwas Positives abzuringen. Konzertveranstalter gründen Hilfsfonds für Musiker, festangestellte Orchestermitglieder spenden für ihre freiberuflichen Musikerkollegen, man wird gemeinsam kreativ, um die begrenzten Möglichkeiten umzuwandeln in neue Formate, die es im Normalfall gar nicht geben würde. Weil man sich einfach im gewohnten Fahrwasser bewegen und mit der notwendigen Portion Routine weiter durchs Musikerleben ziehen würde. Eine befreundete Videokünstlerin hat sich beispielsweise in den letzten Wochen auf Gottesdienst-Videos spezialisiert, was sie sich sicher niemals hätte träumen lassen – genauso wenig, wie ich mir hätte vorstellen können, in einem der Gottesdienste Blockflöte zu spielen … gemeinsam mit einer Sängerin und Harfenistin, mitten auf der Wiese, mit Vogelgezwitscher, umringt von Ziegen und bei starken Wind. Man kann sich in etwa vorstellen, was das für den Blockflötenklang bedeutet. Musikalisch und klanglich gesehen grenzwertig und komplett daneben, unendlich klischeehaft und kitschig – und trotzdem wohltuend herzerwärmend. Statt einer Predigt führte der Pfarrer dann Gespräche mit den Beteiligten, und so sollten wir Musikerinnen uns spontan dazu äußern, welche Bedeutung die Musik für uns persönlich in dieser Krisenzeit hat und ob sie uns Kraft gibt. Also eigentlich eher eine rhetorische Frage, die sich selbst beantwortet. Sonst wären wir keine Musikerinnen. Teil 2 der Antwort (der aber nur simultan in meinem Kopf ausgesprochen wurde) wäre gewesen: »Wenn Sie wüssten, wie wenig unsere Arbeit zur Zeit wirklich mit Musik zu tun hat!«
»Mama, für das nächste Arbeitsblatt muss ich zuerst das Erklärvideo anschauen, sonst kann ich die Aufgabe nicht machen. Ich brauche unbedingt deinen Laptop.« Kurze Unterbrechung. Wie man sieht, sind die Mathe-Aufgaben gestern noch nicht fertig geworden. Wie gut, dass heute Feiertag ist und auf dem Wochenlernplan der Klasse keine weiteren zu erledigenden Aufgaben stehen. Hatte ich schon erwähnt, dass Erklär-Videos und Lern-Apps neben den Mathe-Arbeitsblättern zu den pädagogisch wohlmeinendsten und überflüssigsten Zeitvertreiben der letzten Wochen gehören? Ich weiß, das sollte ich nicht schreiben, eigentlich noch nicht einmal denken – bei so wenig Wertschätzung gegenüber dem ausgeklügelten, ausgewogenen, abwechslungsreichen Katalog an Aufgaben und Lernimpulsen, den vermutlich alle schulpflichtigen Kinder landauf landab derzeit zur Verfügung gestellt bekommen, geht die eigene Daseinsberechtigung oder gar Systemrelevanz als pädagogisch tätiges Wesen doch sofort flöten … Wobei »Flöten gehen« derzeit in meinen Ohren nach purer Nostalgie klingt. Und zwar beide Worte – sowohl »Flöten/flöten« als auch »gehen«, sowohl allein als auch in Kombination. So bin ich am ersten Tag der ersten Online-Unterrichtswoche tatsächlich noch zum Flöten(unterricht) gegangen, um ungestört »live« aus dem Unterrichtsraum der Musikschule zu unterrichten, was leider kläglich daran scheiterte, dass das WLAN in der Musikschule so instabil war, dass dieser erste auch gleichzeitig der letzte Versuch dieser Art bleiben sollte. Seitdem: Homeoffice. Wie alle anderen auch. Selten so ausführlich mit den Eltern meiner Flötenschüler geplaudert. Man ist plötzlich nicht nur räumlich mittendrin im Familienleben der SchülerInnen, sondern wird auch konfrontiert mit deren vielfältigen Sorgen und Problemen inmitten des Ausnahmezustands und kommt in manchen Fällen in Gewissenskonflikte, wenn man etwa trotz drohender Arbeitslosigkeit beider Elternteile zu einer Fortführung des Instrumentalunterrichts raten soll und eigentlich das Gegenteil nahelegen möchte, auch auf die Gefahr eines in sich zusammenschrumpfenden Stundendeputats hin.
Mein Gewissen plagt mich leider auch in Bezug auf einige andere Punkte des Online-Unterrichts – das Gefühl, ein aufwändig und schön verpacktes Produkt zu verkaufen, von dessen Qualität ich nicht zutiefst überzeugt bin, lässt mich leider nach wie vor nicht los. Abgesehen von dem technischen Aufwand, der von SchülerInnen- und Lehrerseite aus betrieben werden müsste, um ein klanglich halbwegs befriedigendes Ergebnis zu erreichen, ist es auch die besondere Unterrichtssituation, die häufig einen konzentrierten Unterricht überhaupt nicht zulässt. Gerade bei jüngeren SchülerInnen sitzen häufig die Eltern mit im Zimmer, vorzugsweise unsichtbar als Kameramann oder -frau, manchmal turnen noch die jüngeren Geschwister durchs Bild, denn sie wollen ja nicht verpassen, wenn »die Flötenlehrerin im Fernsehen« kommt. Man ist sich nie ganz sicher, wer denn jetzt alles gerade zuhört, fühlt sich belauscht und beobachtet, spürt auch über die Distanz hinweg, dass das Kind angespannt ist und sich die gewohnte lockere Unterrichtsatmosphäre nicht einstellen mag. Es fehlt die spontane Interaktion, die Möglichkeit einer schnellen und unkomplizierten Intervention – vieles ist mit wortreichen Erklärungen doch nicht so deutlich zu demonstrieren wie mit Vorspielen oder gemeinsamen Spielen. Gemeinsames Musizieren – das ist es eigentlich, was mir am meisten fehlt. So oft ringe ich nach Worten und treffenden Umschreibungen und weiß, es wäre so einfach, wenn ich die Passage jetzt gemeinsam mit dem Schüler spielen könnte. Also nehme ich den Schülern ihre Stücke auf, spiele zweite Stimmen oder Klavierbegleitungen ein, um dann in der nächsten Stunde festzustellen, dass die Eltern sich nicht einmal die Mühe gemacht haben, die E-Mail zu lesen bzw. dafür zu sorgen, dass ihr Kind sich die gemailte MP3-Datei anhört. Also maximaler Aufwand für nichts – und ich kann es ja sogar noch verstehen! Wie gesagt – bei mir ist auch gerade die Begeisterung für Erklärvideos, Tonaufnahmen und andere digitale Hilfsmittel, die ich für meine Tochter geschickt bekomme, verschwindend gering bzw. sie gehen einfach unter in der permanenten digitalen Kommunikationsüberflutung.
Aber neben allen frustrierenden Erfahrungen hält das Online-Unterrichten doch auch immer wieder sehr amüsante und groteske Einlagen bereit. Heimtückisch ist zum Beispiel, wenn versehentlich beim Einrichten der Webcam die falsche Kamerafunktion aktiviert ist und man wirklich etwas in Bedrängnis gerät bei der Frage »Können Sie schon etwas sehen?« Die Antwort »Ja, ihren Bauchnabel/ihr Dekolleté/…!« verschluckt man dann lieber und murmelt etwas wie: »Die Perspektive ist noch nicht ganz optimal ...« Oder der beherzte Versuch, gemeinsam ein Duett zu spielen und zu versuchen, gleichzeitig am Ende anzukommen, obwohl man kaum etwas vom anderen hört, und wenn, dann zeitverzögert oder verzerrt. Alles, was sonst beim Unterrichten selbstverständlich erscheint, ist plötzlich mit größter Anstrengung verbunden bzw. gänzlich unmöglich. Wie so vieles im Corona-Alltag. Noch nicht einmal die Klärung eines falschen Tons ist ohne Schwierigkeiten möglich. »Das müsste ein D sein am Ende!» »Ich hab doch G gespielt!« »Ich habe D gesagt.« »Ach so, ich soll ein E spielen …« »Nein, D!« Mittlerweile hängen wir beide mit dem Kopf direkt über dem Laptop und brüllen in die schlechten Mikros – da erscheint auch schon die Mutter des Schülers auf der Bildfläche. »Ich glaube, sie hat gesagt, dass du kein D spielen sollst.« Na prima, fallen Sie mir noch in den Rücken! Resigniert halte ich die Blockflöte mit entsprechendem Griff vor die Kamera. »Ich kann irgendwie nicht so gut erkennen, ob der kleine Finger das Loch abdeckt oder nicht.« Okay, wir haben immer noch die Chat-Funktion als Joker. »Der letzte Ton müsste ein D sein«, schreibe ich. »Ach so. Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?« kommt es zurück. Dazu drei zwinkernde Smileys. Mir ist weder nach Zwinkern noch nach Gesmile zumute, ganz im Gegenteil. Ich gehe die zur Auswahl stehenden Antwort-Smileys durch und sehe zu meiner Verwunderung sogar ein Smiley mit Mundschutz. Sogar hier hat sich die Seuchenprävention schon ausgebreitet. Nicht ablenken lassen, die Kamera läuft …
Leider scheinen wir uns in den Musikschulen noch eine Weile mit dem Online-Unterricht begnügen zu müssen – zumindest in Baden-Württemberg ist eine Musikschulöffnung noch nicht in Sicht (Stand 01.05.2020). Privatmusikunterricht ist jedoch erlaubt, was natürlich auch für große Verwirrung und Unmut sorgt. Natürlich stellt ein Musikschulbetrieb eine größere Herausforderung dar als der »Ein-Mann/Frau-Betrieb« von PrivatanbieterInnen für Instrumentalunterricht, wenn es um die Erfüllung der strengen Hygienevorschriften und sonstigen Auflagen geht. Aber man sollte meinen, wenn am kommenden Montag die allgemeinbildenden Schulen – wenn auch eingeschränkt – wieder ihre Pforten öffnen und somit ganze Schülergruppen wieder gemeinsam auf engstem Raum ihre Zeit verbringen, dann müsste doch Einzelunterricht im Musikschulbereich wieder im Bereich des Möglichen sein.
Die strengen Auflagen führen auch bei den Schulöffnungen zu einigen Absurditäten, auf die ich schon sehr gespannt bin. So herrscht beispielsweise an unserer Schule ab Montag auf den Gängen ein Einbahnstraßensystem und man munkelt, dass sogar eine Ampel aufgestellt werden soll. Alles zur Sicherung des Mindestabstands, versteht sich. Das umfangreiche Regelwerk zur Einhaltung der Hygienevorschriften umfasst auch detaillierte Anmerkungen zur Gestaltung des Unterrichts, wann wer die Schutzmaske auf- oder absetzen muss, wie lange und auf welche Art und Weise die Räume zu lüften sind, was man wie oft desinfizieren muss etc. … und dann den unglaublichen Satz: »Alle offenen Unterrichtsformen und Gruppenarbeiten sind strengstens untersagt.« Dank Corona befinden wir uns also wieder im didaktischen Mittelalter, es lebe der Frontalunterricht! Paradoxe Vorstellung: Während der Video-Unterricht optimiert wird, immer im Dienste der Schülermotivation natürlich, wird der Unterricht von Mensch zu Mensch plötzlich gehemmt, ausgebremst und einseitiger als je zuvor. Statt mit Inhalten und deren Vermittlung ist man mit dem Befolgen von Regeln beschäftigt, alles sicherlich sinnvoll und im Dienste des Infektionsschutzes, aber trotzdem sehr gewöhnungsbedürftig. (Und man »will« sich ja eigentlich gar nicht daran gewöhnen, man hofft ja immer noch, dass der Spuk bald beendet sein möge!) Die SchülerInnen werden sich in ihre Homeschooling-Zeit auf der Couch zurücksehnen und sich fragen, was der Vorzug von Präsenz-Unterricht sein soll.
Da einige KollegInnen zur Risikogruppe gehören und daher ohnehin keinen Präsenzunterricht halten dürfen, ergibt sich in manchen Klassen die schizophrene Situation, dass zwar die SchülerInnen in der Schule sind, der/die betreffende FachlehrerIn aber per Videokonferenz ins Klassenzimmer geschaltet werden muss. Und das ganze Spektakel wird dann von den anwesenden KollegInnen beaufsichtigt (ob man Popcorn mitbringen darf? Wenn da nicht die Schutzmaske wäre …) Das werden meine Lieblingsstunden sein – und ich werde schon gleich zu Beginn grandios scheitern beim Hochfahren des Computers oder Anschalten des Beamers, werde in meine Schutzmaske nuscheln »Kann mir bitte jemand helfen?«, dann versehentlich vergessen, die Beamer-Fernbedienung vor dem Weiterreichen an einen Technik-affinen Schüler zu desinfizieren, dabei den Mindestabstand nicht einhalten und beim panischen Verlassen des Raumes als Geisterfahrerin durch den Einbahnflur irren. Soweit meine Vision des ersten Schultages nächste Woche, die mich schon am heutigen Tage mit größter Vorfreude erfüllt.
»Mama, wir sollen die französischen Zahlen noch mit der Französisch-App üben. Kann ich bitte nochmal …“« Französisch-App? Die hat uns noch zu unserer digitalen Erfüllung gefehlt! So viel Eifer muss gefördert werden! »Ja, du kannst den Laptop haben, ich bin sowieso fertig.«
Nicht wirklich. Es gäbe noch sehr viel zu sagen. Es wird aber auch permanent sehr viel gesagt. Bleibt zu wünschen, dass wir bald den Standby-Modus verlassen und Schritt für Schritt in eine uns vertrautere Realität zurückkehren können als diejenige, in der wir uns gerade gezwungenermaßen befinden. Ich will es nicht verklären und will mich den »Corona als Chance«-Parolen nicht anschließen, aber trotz allem hoffe ich, dass die vielen Fragen, Ängste und Probleme, mit denen sich jede(r) Einzelne in den letzten Wochen auseinandersetzen musste, die Erfahrung, dass das gewohnte Leben von einem Tag auf den anderen plötzlich auseinanderbricht und man aus einem Zustand der inneren Unsicherheit und Schwäche heraus sozusagen auf Knopfdruck völlig umdenken und alle vorhandene Flexibilität, Kreativität und Kraft bündeln muss, um neue Wege zu suchen, Prozesse in uns selbst und in unserer Gesellschaft in Gang gesetzt haben, die ihre Wirkung nachhaltig entfalten werden. Auf dass die intensive digitale Vernetzung sich in der analogen Welt fortsetzen möge!
Kirsten Christmann (Karlsruhe)

»Musikschulen wieder offen, Privatunterricht wieder erlaubt«

Auf diese Meldungen hab‘ ich gewartet. Schon länger ist klar: Abstand und häufiges Händewaschen werden zum Alltag dazugehören. Dennoch erschrecken mich die teils durchaus sinnvollen, teils aber auch überpeniblen Hygienekonzepte. Der großzügige Einsatz von Desinfektionsmitteln steht im Vordergrund ohne dass hinterfragt wird, ob gründliches Händewaschen nicht auch ausreichend ist; angeordnete Zusatzpausen zum Lüften und Desinfizieren (durch die Lehrkraft!) und Splittung von Gruppenunterricht in Einzelunterricht geben einerseits eine Fünf-Minuten-Taktung meines Unterrichtsnachmittages vor und würden gleichzeitig meine Gesamtarbeitszeit um bis zu dreieinhalb Stunden täglich (ohne finanziellen Ausgleich) verlängern. Spuckschutzwände, Maskenpflicht auf den Gängen und teils auch im Unterricht, geschlossene Sammeleimer für Kondenswasser; Stimmen von Schülerstreichinstrumenten nur mit Gummihandschuhen, Einbahnverkehr auf den Gängen, gesperrte Wartebereiche und vieles mehr ... – einem Wiederanfang seh‘ ich nicht mehr freudig entgegen.

Aufgrund geschlossener Schulen und Horte können Kinder nicht mehr alleine kommen, sondern müssen geholt und gebracht werden, dazu fehlt wegen Homeoffice, Betreuung von Geschwisterkindern oder geänderten Arbeitszeiten den Eltern die Zeit – bereits jetzt wurde ich mehrfach gebeten, die Onlinestunde noch länger beizubehalten, da ohne Fahrgemeinschaften, verlässliche Regelschulstundenpläne, Betreuungs- oder Wartemöglichkeiten der Musikunterricht den Kindern nicht ermöglicht werden kann. Bis weit ins nächste Schuljahr hinein wird für einige Kinder der Onlineunterricht die einzige Möglichkeit des Instrumentalunterrichts bleiben.
Sabine Runge (Nürnberg)

 


 

 

 

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