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Interview: Geri Bollinger

»Es goht doch drum, d‘Seel usäz‘schpilä!«

0-Ton des Gespräches in reinem Schwyzerdütsch für alle Leser/innen diesseits des Röstigrabens – oder ein europäischer Integrationsschritt mal in die andere Richtung.  

Nik Tarasov sprach mit dem bei der Firma Küng in Schaffhausen tätigen Blockflötenbauer Geri Bollinger.

 
Windkanal: Wie chummsch du zum Blockflötebau?

Geri Bollinger: Ich bin ämol z'Breiteneich in Nideröschtriich bim Alec Loretto gsi und ha dött i däm Schlössli än Blockflötäbaukurs gmacht. Ä Wuchä lang han i dött glärnt ä Blockflöte bauä. Dä Loretto isch än ganz fridlichä Typ gsii, wiä ä alti Üülä, immer witzig ... ich han in sehr gärn gha. Mini Flötä isch dänn no rächt guet wordä im Kursdurchschnitt. Fürs Abschlusskonzärt hät mä dämit uf ämänä anderä Schloss spielä sölä. Aber dä Veranstalter hät mich nid welä spilä loo, wil ich so langi Hoor gha ha und kei Schalä für di edli Gsellschaft. Do chunnt dä Loretto, leit mir sini Jaggä und strählet mi no ä bitzli ...
Alles i allem isch das ä guti Zyt und es isch wichtiggsii, das äs erschte Erläbnis nid i d’Binsä gangä isch.

Wie isch’s dann wittergange?

Ich ha zerscht Elektromech glärnt. D’Industrie isch aber so öppis vo tötelig! D’Arbät wär an sich OK gsii, aber s'Mänschlich hät mir eifach nid passt. D’Lüüt, d’Gespröö­ch über BMW, über Sport und Frauä: Da sind alles so Sachä, won ich gar nid a vorderstär Front ha chönä mitredä.
Zum Uusgliich han ich Flötä gspilt; da isch s’Instrumänt gsii, wo umäglägä isch. Und es isch die Zyt gsii mit äm Franzl Brüggen. Dä hät än hochä Energielevel gha, und d’Szenä hät au vil Neus gha. Ich bi a d'Musikschuel gangä, und eimol hät mich d’Lehreri gefrogt, öb ich nid s'Konsi machä well. Da isch ä zimli schrägi Vorstel­lig gsi! Aber mir hät’s gar nümm passt i dä Induschtri, das ich äigätlich gfundä ha: Gopferdeckel, ich weiss nüüt Bessers! Also han ich agfangä Musik z'studiere. Wäred äm Studium han ich dänn gemärkt, dan ich gar nid so än intellektuellä Mänsch bi. Ich bi döt nid so glücklich wordä. Dänn han ich agfangä, näbädhär handwärklich z’schaffä -wider als Uusglich. Trotzdäm han ich s' Konsi färtiggmacht und ha dänn auf dem Land ussä underichtät. D’Musikschuel isch aber so rückständig gsii. Ich ha z’wenig gueti Kontakt gha und da hät mich usgsogä: Noch sexs Johr bin ich ugbrännt gsii. Und dänn han ich gefundä, jetz muesch eifach öpis ändärä, egal wa. Ich ha gwüsst, das si bim Küng Lüt sueched. Und dänn han ich döt agfangä chistäwis Schuelsopranflötä z’intonierä. Ich ha jo gewüsst, wie ä Flötä mueä tönä, und vom Loretto han ich glärnt, wie mä voicä cha. Es isch aber än hartä Job! Di ganz Zyt immer voll konzentriert sii und Seriä schaffä. Ich känn nüüt Schwärers! Wend anerä Maschinä schaffsch, chasch wenigstäns no näbedra Spanisch lärnä. Da Seriä-Intonierä isch würkli monoton und aspruchsvoll mitenand!

Aber du bisch denn scho drbii bliebe!

Äs isch für mich än Glücksfall passiert: Wil vor 13 Johr dä Martin Wenner, er hät bim Küng Entwickligsarbätä gmacht, döt ufghört hät, um sich sälbständig z’machä. Plötzlich bin ich vor öbbe 10 agfangänä Projäkt gtan­dä und ha mösä überlegä: Wa mach mit dänä?! Und ich ha nonig so vil Ahnig gha vom Flötäbau. Ich ha halt nur gwüsst, wa mir nid gfallt. Ich dänk aber, ich ha ä guets Gspühr für Situationä. D’Basismodell vom Küng sind do nid so psunders gsi, drum han ich mich zerscht dänä zuägwändät und ha agfangä z'baschtlä und ha mir so vil sälber agäignät. Ich ha eifach gluegt, wa passiert, wän ich öpis so oder so mach. Ich ha Einzelhäitä übertribä, da ich nochhär verstandä ha, wa passiert. Du chasch als Flötäbauer scho viel läsä oder Plän aaluege, aber du muesch doch viel Erfahrigä sälbär machä. Vom Andi und vom Tomi Küng isch mir däbi niä än Chnebel zwüsche d’Bei gworfä wordä. Im Gegä­teil, sie händ mir immer voll vertraut und so isch langsam öpis entstandä!

Wie kaa ma deine Standpunkt in der Künggschichte beschribe? Franz Küng villicht als „die alte Schule“; Andreas Küngs Historica-Modelle sind inspiriert gewesen von der Schola Cantorum in Basel. Wo isch deine eigeni Position?

Durs Musikstudium bim Conrad (Steinmann) und Matthias (Weilenmann) han ich indirekt d’Holländer + Basler Geschicht mitübercho. Da Klangbild han ich am Afang versuecht - noch äigänär innärä Instanz - i mini Schuelflö­tä inäzlegä. Da isch aber mit dänä Flötä doo än Murx gsii.
Wil ich nid so i däm historischä Züg drin gsi bi, han ich dänn vil Freihei­tä gha. Das hät mir no passt: Ich ha gar nid überleit, Kopiä z’machä. Än grossä Schritt isch dänn gsii, won ich mit äm Bass agfan­gä ha. Dä Superio-Bass isch da Instrumänt, won ich mich dänn s’erscht Mol nur uf äigäni Massstäb verlo ha. Ich ha wild kombi­niert, und innerhalb vo zwei Wuchä han ich ä Teil gha, wo cheibeguet gsi isch! Purä Zuäfall. Ich ha Teil kombiniert und Kitt inäkläbt und gmurkst und gmacht noch mim Wüssens­stand, und irgendwänn hät's eifach iigschlage.

Kein historischer Posten also, sondern alles ganz nach Gfühl. Und trotzdem: wo kommt das her? Wenn du seisch, „es muess funktioniere“, was meinsch damit?

Sichär Intonation, Asproch, „barocki" Griff und Grifbarkeit. Äs isch aber au än exaktä Kompromiss vo däm, won ich mag und däm wo für dä Küng wichtig isch! Klanglich würd ich sägä: Min Vorteil isch äigätlich, das ich nid so fixiert bi uf Barockmusik, oder!? Noch äm Konsi, ein Tag noch äm Diplom, han ich än Kontrabass gkauft und aagfangä Jazz, Pop, Rock und Ländler z’spilä. Wider als Uus­glich. Ich find d’Freiheit i därä Musik wun­derbar, do machäd sich d'Klassiker än bösä Stress mit ihräm ängä Repertoire. Musik hät für mich z’tuä mit Seeläüsserig. Ideä umzsetzä und s'improvisierä; da hät mich meh inträs­siert als s’gnaui Nospilä. Ich dänk, di ganz alt Musik müest sich vil meh mit üse­rem Zytgeischt verbindä. Äs mue wider mit Energie vo hüt ufgladä sii. Äs müend Themänä si, wo früener, aber au hüt, gliich inträs­sant sind - susch git's kein Sinn! Für mich müesti i dä Blockflötäszenä stilistisch meh experi­mentiert wärdä. Ich ha zum Bispil alti Schwyzer Volksmusik gspilt. Mit zwei Dudel­sackspieler, Schalmei und Drähleier. Die weni­gä Melodiä, wos no git, sind dermassä schräg und kurz. Also, do muesch öpis mache dämit, susch tönt's nach nüüt. Wad machsch, gränzt hart a nä Eigäkomposition - da hät mit däm, wo früener gsi isch äigentlich nüt me ztue. Du chöntisch da wüssäschaft­lich ago, oder aber du losch dich vo däm Züüg inspirierä. Ich ha da mit Kontra­bass, Sopransax, Einhandflötä und ämänä Renaissancetenor gmacht und so dä historisch Ramä gsprängt und d’Strukturä ufgrissä. Ich ha döt Blockflötä g’spilt ohni schlächts Gwüssä!

Und mit einer solche Einstellung bisch denn au ans Baue gangen?

Nid so radikal, aber ich cha eifach gar nid andersch! Fürs rein Historische bin ich nid dä Tüp. Mich würds schon Wunder näh, meh i d’Museä z’goh. Aber eifach vo dä Plän här interessierts mich nid so. Vo dä frühenärä Klangidee här würd's mich sehr intres­sierä - aber mä cha das Züüg döt jo meischtens nid spilä. Min unhistorischä Superio-Bass isch jo au so än Erfolg wordä. Dä hät zwar scho meh oder weniger ä barocki Mensur. Aber äs hät i dä Mitti vo dä Röhrä so ä Knall-Verängig drinn, diä, glaub ich, susch niemär macht. Wän ich baschtlä git's au immer wider Über­raschigä: Do machsch ä Mensur witer, und vom Ghör här gits voll dä gegäteilig Effäkt als da, won ich erwartät ha. Mir passiert so Züüg duurend. Und ich mue sägä, ich bin immer wider irgendwiä erschütteret! Uf där andärä Sitä chan ich mich au no über­raschä lo. Und wänn's dänn andersch isch als ich mäin, dän han ich halt wider öbbis däzue­glärnt.

Was isch dein persönlichs Flötecheck-Muster, bis du sagst, jetzt stimmt’s?

Wän ich verschidä voicä cha, ohni das d'Flötä abstürzt. Du muesch si klanglich offänär oder änger machä chönä, ohni das si grad s’ Zytlich sägnät, oder. Ich sträb ehner än warmä, vollä Klang a binerä gwüssä Klarheit. Ich find: ä Flötä darf Wärmi ha. Bi mir sind d’Mensurä niä äng. Und ich ha au immer wahnsinnigi Wandstär­känä - ich ha die dünnä Röhrli nid so gärn. Da git bi mir immer so grossi Grifflöcher, das d’Lüüt fasch mit dä Finger steckäbliibäd. Und immer schwääri Inschtrument-öbbis anders tönt bi mir eifach nid. So ischs au bim Grossbass usächo und jetzt bin ich bim Subbass am Suechä... Ich schaff amigs bis ich sicher bi das ich alläs gäh ha won ich cha - und langsam tritt dänn ä inneri Rue i.

Es zieht dich also fascht magisch zu den tiefen, aber dann halt scho leise Instrumenten hin!

Mich interessieräd hochi Flötä nur zum Durächo im Orchäschtär oder in ärä grösserä Bänd. Zum Zämäspilä find ich di hochä heiss. Bi dä Tüüfä hät's dänn scho sini natürlich Gränzä. Bi dä tüüfä Bäss versticksch jo fasch und bringsch nur no schwär ä Frasä zämä. Und mit dänä vilä Chlappä: Irgend­wänn chlapperet's meh, als du s’Instrumänt ghörsch... Was ich dänn für mich bschlossä ha: Ich ha s'Mikrofon dragmacht und s'Ganz als Tenorsax bruucht - macht Spass – dänn chasch miterä normalä Jäzzkapällä mitspilä. Da git vo mir us Sinn, nebed ämä normalä Flötäconsort. D’Verstärchig isch bi dä Jazzer jo gar kei Thema an sich: D’Elektrogitarrä tönt ja ohni Böxli gar nid. S'Mikro (du muesch so ä chliisäs Ding näh und mit ämä Gümmeli dra machä) chlämmsch vor d'Schnorä, also vo obä vor s'Labium. Da isch dä bescht Punkt döt: Do häsch kei Windgrüüsch, nüüt! Und d’Distanz isch so chlii wiä möglich, so dass dänn kei Rückkoppligs-Fieper chömäd. Di tüüfä Blockflötä händ än starchä Obertonriichtum, da zeichnät scho so guet dasd ghört würsch und trotzdäm häts ä gwüssi Wärmi. Die Krux i dänä Formationä mitzspilä, isch ehner d’Dynamik. Also, wänds süüslä und sauä loh wotsch, würds schwirig. Aber, ich find, Dynamik isch jo nid s’einzig Thema vo hüt. Dä lyrisch Aspäkt isch doch au schön! Aber s'isch schono schwär, d'Seel usäzchrämplä. Trotzdäm, wend im Jazz luegsch: D’Querflöter spieläd au nid sehr dynamisch; au Saxofonischtä händ iren Pegel. Äs wär also nid so abwägig mit dä Blockflöte i andärä Musik ...

Es hat ja schon einigi, wo’s machen …

Jo, da freut mich au sehr, aber äs sind weni­g. Ich find, i dä hütigä Zyt chaschs dir als Musiker nid leischtä, kei Ahnig zha vom Verstärkä. Weder vo dä Art vodä Musik, wiä mä si macht no vom Equip­ment. Da isch ä gwüssi musikalischi Allge­meinbildig! Mä mue als Lehrer offä si: Eigätlich, wa i dä Hitparadä lauft, sött mä stilistisch kännä (sowit mä vom Menuett jo au weiss, wa da isch). Äs isch immer­hin d’Musik vo dänä Chind, wod unter­richtisch. Wend so öppis mit Kind spielä wotsch, muesch Mikrofönli und Computer ha. Und ich find, wänd da Züüg bruchsch dän erscht häsch d’Freiheit, s’au wegz­loh. Ich find akustisch äigätlich sehr schön, fascht schöner. Aber, wend susch nid ghört würsch, hät niemer öppis dävo ...

Villicht scheiteret’s oft einfach dodra, dass die meisten Leute halt so verwachse sind im Barock, und dann hats oft fascht kei Raum für solche Kläng.

Alli flueched übers äng Repertoir und losäd sälbär nid nu alti Musik. Da sind doch handfeschti Scheuchlappä. Zum Bispiel folkartigi Musik chunnt dä Blockflötä sehr entgegä. I jedäm Ort häts hüt doch gueti, experimentierfreudigi Musiker wod für so öppis chasch frogä. Die sind üs Notächlauber über­lägä im frei spielä! Do sind ächt Berührigs­ängscht. Solang mä sottig Angscht vor dä Frei­heit hät, blockiert mä sich enorm! Du muesch ja nid grad mit dä Vollprofis zämäspielä. Es git verschidäni Ligä: du chasch jo zersch bimänä Grümpelturnier mitmachä... Umgekehrt isch äs dä Jazzmusiker au pein­lich, wänn z.B. ä Barockensemble chunnt und seit, „weisch, chasch du nid mol wiä dä Garba­rek däzuespielä?" Diä händ doch Null Ahnig vo däm altä Züüg! Nur händ diä meischtens weniger Scheuchlappä - diä probieräds halt ...Diä sind scho immer stilistisch offener gsii. Jazzer sind jo im Grund gno au froh um Inputs. Diä wüssäd jo au nid wies witer­got, die armä Siechä! Die stönd au am Bärg: no verrückter spilä und improvisierä got fasch nüm. D’Barocker sind au am Aschlag. Irgendwiä surcht sich d’Energie vom Musikmachä än neuä Wäg. S'bruucht halt ä Usenandsetzig, und ich säg nid, äs sei eifach! Aber mä chunnt letschtlich nid drum umä, sich drum z'kümmärä. Mä mue versuechä, d’Blockflöte i sinerä äigänä jetzigä Wält z’integrierä. Di nöchscht Generation würd da mischlä, uf jedä Fall -mir sind nu dä Afang.

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